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Politik: Zu oft gesiegt

Mehr Globalisierungsgegner denn je treffen sich in Brasilien zum Weltsozialforum. Aber die Bewegung droht zu zersplittern

Von Dagmar Dehmer

Luiz Inacio Lula da Silva ist für die 50 000 Teilnehmer des Weltsozialforums 2002 in Brasilien die Lichtgestalt gewesen. Die globalisierungskritische Bewegung, die sich versammelt hatte, um über die Folgen des Welthandels und Menschenrechte zu beraten, feierten den damaligen brasilianischen Präsidentschaftskandidaten als ihren Star. Inzwischen ist Lula Präsident des größten lateinamerikanischen Landes und gehört wieder zu den Rednern beim Weltsozialforum in Porto Alegre, das am Donnerstag begonnen hat und bis zum 28. Januar dauern wird. Doch weil er direkt im Anschluss in die Schweizer Alpen reist, um beim Weltwirtschaftsforum in Davos ebenfalls eine Rede zu halten, ist er diesmal weniger willkommen.

Das Weltsozialforum, das vor drei Jahren als Gegenveranstaltung zum Davoser Gipfel erstmals stattfand, hat die globalisierungskritischen Bewegungen aus aller Welt gesammelt und ihnen ein Forum geboten. Auf gemeinsame Beschlüsse wurde bewusst verzichtet, um den offenen Charakter nicht zu gefährden. Der überwältigende Erfolg der Veranstaltung hat die Globalisierungskritiker jedoch kalt erwischt: Zum einen haben sich für dieses Jahr 100 000 Teilnehmer für das Weltsozialforum angemeldet. Und Porto Alegre, die stolze Gastgeberstadt, ist dem Organisations-Chaos kaum noch gewachsen. Über die Tagesordnung wurde noch in der Nacht zum Donnerstag gestritten, mit einem gedruckten Programm rechnen die Teilnehmer schon gar nicht mehr.

Aber der Erfolg der Globalisierungskritiker überfordert sie nicht nur organisatorisch: Dass mit Lula plötzlich einer der ihren Präsident geworden ist, damit kommen viele überhaupt nicht zurecht. Denn Lula denkt gar nicht daran, die multinationalen Konzerne aus dem Land zu werfen oder den Schuldendienst einzustellen. Schließlich hat er den Brasilianern versprochen, den Hunger zu bekämpfen. Das schafft er nur, wenn er die brasilianische Wirtschaft wieder in Schwung bringt. Den Globalisierungskritikern fällt es schwer, diesen Rollenwechsel zu akzeptieren. Und nun hat sich auch noch ein anderer Präsident angemeldet: der umstrittene venezolanische Staatschef Hugo Chavez.

Nach drei Jahren zeigt sich immer deutlicher, dass die Teilnehmer des Weltsozialforums alle etwas anderes wollen. Greenpeace und der BUND kämpfen um eine UN-Konvention, die Firmen zu ethischem Verhalten bei Auslandsinvestitionen verpflichten soll. Auf der anderen Seite will sich der französische Bauernaktivist José Bové der Globalisierung insgesamt entgegenstemmen. Dazwischen steht Attac. Das Netzwerk der Globalisierungskritiker in Deutschland hat vor kurzem eine gemeinsame Erklärung mit dem DGB und dem Zusammenschluss entwicklungspolitischer Initiativen Venro zu Mindestforderungen an die Globalisierung unterschrieben – und gilt an der Basis seither prompt als reformistisch. Im kommenden Jahr soll das Weltsozialforum erstmals in Indien stattfinden.

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