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US-Geheimdienste: Zu viele Dienste, zu wenig Koordination

Die US-Geheimdienste stehen in der Kritik. Die Probleme hängen mit dem Konkurrenzgerangel zwischen der CIA und dem neuen nationalen Geheimdienstdirektor zusammen.

Amerikas Geheimdienste geben zurzeit ein schlechtes Bild ab. Sieben Agenten starben am 30. Dezember im afghanischen Khost, weil der wichtigste aller zivilen Dienste, die CIA, nicht in der Lage war, einen Terroristen zu erkennen. Der Selbstmordattentäter genoss als US-jordanischer Agent das Vertrauen der Geheimdienstler. Der Mann war zuvor wegen Al-Qaida-Kontakten verhaftet und vom jordanischen Geheimdienst angeworben worden. Doch wechselte er die Seiten nicht vollständig – eine tödliche Fehleinschätzung für die CIA.

Auch der nigerianische Terrorist Umar Faruk Abdulmutallab hätte, wenn die Geheimdienste sauber gearbeitet hätten, mit seinem Sprengstoff in der Unterhose niemals ein Flugzeug Richtung USA betreten dürfen. Sein Versuch, ein Passagierflugzeug beim Landeanflug auf Detroit zu sprengen, wurde nur von Mitreisenden verhindert. Doch dass er ein Sicherheitsrisiko war, hätte spätestens bekannt sein müssen, seit dessen Vater CIA-Leute vor seinem Sohn warnte. Und das war nicht die einzige bekannte Information über den Terroristen, jedoch stellte niemand eine sinnstiftende Verbindung zwischen den Daten her.

Die zwei direkt aufeinander folgenden Ereignisse haben einmal mehr Zweifel an der Effektivität der amerikanischen Geheim- und Sicherheitsdienste aufkommen lassen. So sehr, dass US-Präsident Obama am Dienstag ein Gipfeltreffen einberief und die Arbeit der Behörden scharf kritisierte. Erst 2004 waren die amerikanischen Geheimdienste als Antwort auf die Pannen im Vorfeld der Terroranschläge vom 11. September 2001 reformiert worden. Auch damals waren Warnungen übergangen, nicht weitergereicht oder nicht richtig ausgewertet worden.

Die Reformen sollten Informationen und Kompetenzen bündeln helfen, denn Aufklärungs- und Sicherheitsdienste gibt es in den USA zahlreiche, genauer: 16. Dem Justizministerium zugeordnet sind die Bundespolizei FBI, die in den USA auch starke Einheiten für Spionage- und Terrorabwehr hat, und die Drogenfahnder in der Drug Enforcement Angency. Daneben arbeiten sechs weitere zivile Organisationen. Dem 2002 neu gegründeten Heimatschutzministerium unterstehen ein Analysezentrum (Protected Critical Infrastructure Information Program) und der Geheimdienst der Küstenwache United States Coast Guard Intelligence. Der US-Außenministerin berichtet das Bureau of Intelligence and Research, das Finanzministerium überwacht Finanztransaktionen krimineller und terroristischer Organisationen über das Office of Intelligence and Analysis, und mit der nuklearen Proliferation beschäftigt sich das Office of Intelligence and Counterintelligence im Energieministerium. Die bekannteste und größte aller zivilen Agenturen ist jedoch die Central Intelligence Agency (CIA), die von Kongress-Ausschüssen überwacht wird.

Das Pentagon unterhält als Ministerium gleich acht militärische Geheimdienste. Der bekannteste ist die National Security Agency (NSA), die weltweit die elektronische Kommunikation belauscht. Hinzu kommen die allgemeine militärische Abwehr Defence Intelligence Agency sowie drei spezielle technische Dienste. Jeweils eigene Organisationen unterhalten außerdem die vier Teilstreitkräfte.

Der Schwerpunkt in der Aufklärungsarbeit lag bis 2001 noch beim Pentagon mit seinen vielen Diensten, außerdem bei der CIA und dem FBI. Ab 2002 sollte das Heimatschutzministerium die Sicherheitsinformationen aus den einzelnen Ministerien bei sich vereinen. Doch die Bush-Regierung gründete 2003 eine weitere, ähnliche Behörde, das Terrorist Information Center, das ursprünglich unter der Führung der CIA arbeiten sollte. Alle relevanten Quellen zur Terrorbekämpfung sollten hier gebündelt und ausgewertet werden. Die Kompetenzen der Heimatschutzbehörde nahmen damit ab.

Die letzte Stufe der Reform war ab 2004 das Amt des Director of National Intelligence (DNI). Dieser Chef aller US-Geheimdienste ist unter Präsident Obama Admiral Dennis Blair. Dem DNI wurde zudem die Nachfolgeorganisation des Terrorist Information Center unterstellt, das Nationale Anti-Terror-Zentrum (National Counterterrorism Center, NCTC). Und besonders wichtig: Anstelle des CIA-Chefs hat nun der DNI direkten Zugang zum US-Präsidenten.

All dieser Neuorganisationen konnten die Pannen vom Dezember nicht verhindern, und der Grund dafür ist ein banaler: Wie alle Behördenapparate leiden auch die US-Dienste an Ressortegoismus und Zuständigkeitsstreitereien. Schon die zumindest theoretisch riesige Macht- und Kompetenzfülle im Amt des oberen Geheimdienstdirektors löst bei den zivilen und militärischen "Konkurrenzorganisationen" Abwehrreflexe aus.

Doch es gibt auch ein grundsätzliches Problem: Zwar sammeln die Dienste mit Erfolg Unmengen an Informationen, bei der Auswertung der Datenflut hapert es aber gewaltig. Deshalb steht diesmal das neue Nationale Antiterror-Zentrum (NCTC) im Mittelpunkt der öffentlichen Kritik, denn dessen Aufgabe sollte es ja gerade sein, die verschiedenen Informationsstränge zu verbinden. "Die USA haben Milliarden für ein System ausgegeben, das bevorstehende Angriffe erkennen soll - in diesem Fall scheint es versagt zu haben", urteilte das Wall Street Journal. "Es ist offensichtlich, dass Lücken bestehen, die nun geschlossen werden müssen", räumte Geheimdienstkoordinator Dennis Blair ein.

Genauso in der Kritik steht die CIA. Die New York Times sieht einen Grund für die schlimmen Pannen auch in ihren immer umfangreicheren und gefährlicheren Missionen. In eine paramilitärische Organisation habe sich die CIA in den vergangenen Jahren verwandelt, die an allen Fronten im Antiterror-Kampf im Einsatz ist, sei es in Afghanistan, Pakistan oder im Jemen. Allein während des vergangenen Jahres habe der Geheimdienst einen Archipel von Basen im Süden und Osten Afghanistans aufgebaut, die Spione näher an ihre Einsatzziele heranbringen sollten.

Der Kompetenzstreit von NCTC und CIA führte bereits zu versteckten, gegenseitigen Schuldzuweisungen: Das NCTC sei nicht kompetent, Daten zusammenzuführen. Und die CIA enthalte dem NCTC Informationen vor. Die Revierkämpfe zwischen CIA-Chef Leon Panetta und Geheimdienstdirektor Dennis Blair waren so weit gediehen, dass Obamas Sicherheitsberater James Jones eingreifen musste. Mit einem Memorandum soll er der CIA als führende Organisation für Geheimmissionen der USA Nachdruck verschafft haben.

Admiral Blair hatte versucht, für das Nationale Anti-Terror-Zentrum mehr Kontrolle über die CIA bekommen. Und vielleicht wäre das auch der richtige Weg gewesen. Denn die Kommunikation zwischen den amerikanischen Aufklärungseinheiten stimmt nicht. Das haben die letzten Wochen gezeigt.

Quelle: ZEIT ONLINE

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