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Olaf Scholz (SPD) will nun doch als Kandidat für den Parteivorsitz der SPD antreten.

© Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa

Zukünftige Parteispitze der SPD: Zeit, sich zu bekennen

Die gesamte SPD muss sich ihrer Verantwortung stellen und ihre Spitze unterstützen. Nur dann kann die Partei vom Abgrund wegkommen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Die SPD gerät in Bewegung – und wie! Ganz plötzlich. Ein Anstoß, und Namen wirbeln. Wer wird Parteichef? Zur Erleichterung weiter Teile der Sozialdemokratie können die sogenannten Großen nun doch nicht mehr anders, alle müssen sie zumindest neu nachdenken, manche sich besinnen, einzelne sich bekennen. Und zwar zu ihrer Verantwortung, die mit dem Amt einhergeht. Dem innerhalb der Partei und bei einigen noch dazu um das Amt, das sie erst durch die Partei erworben haben. Alle eint eines: Es geht um die res publica, das Gemeinwesen. MinisterpräsidentInnen und MinisterInnen sind das, was sie sind, ja nur geworden, weil die SPD das ist, was sie ist: meistens staatstragend.

So erklärt sich, dass sich nun immer mehr Duos für die Übernahme des SPD- Vorsitzes zusammenfinden. Vier, fünf, sechs sind zu erwarten, vielleicht sogar mehr. Das erste wirklich ernstzunehmende, wie es in der SPD-Führung gesehen wird, ist das Duo bestehend aus Petra Köpping und Boris Pistorius. Ost und West vereint in praktischer Lebenszugewandtheit: Eine Sächsin und ein Niedersachse, sie Integrationsministerin und vorher Landrätin, er Innenminister und vorher Oberbürgermeister. Beide zusammen verstehen sich als Vertreter der Vielen, die nach Sicherheit suchen; besonders in den Themenfeldern, für die beide stehen. Und da in Sachsen gewählt wird, just an dem Tag, dem 1. September, an dem die Bewerbungsfrist bei der SPD endet, ist eine Sächsin auf dem Ticket natürlich auch nicht von Schaden. Als Signal.

Was nebenbei zeigt, dass es um Hehres, aber auch um Parteitaktik geht. Wann ist ein guter oder der beste Zeitpunkt, sich zu melden; und wer kann wen als Partner gewinnen? Übertragen auf den Sport: Es ist ein bisschen wie beim Qualifying der Formel 1. Wer gute Nerven hat und spät aus der Box kommt, dann die schnellste Runde fährt, hat Chancen auf die Pole Position.

Ohne Chance auf Titelgewinn

Darum ist es – parteipolitisch gesehen – auch so interessant, wie lange Olaf Scholz gewartet hat, der stärkste Sozialdemokrat in der Regierung: so lange, bis es aussah, als lande der Karren vollends im Dreck. Also die SPD ohne Chance auf den Titelgewinn. Erst da hat er, der in der Partei wegen notorischer Unbeliebtheit unter normalen Umständen nie auch nur in Reichweite des Vorsitzes käme, sich gerührt. Ganz schön cool: Scholz steht bereit, wenn er gewollt wird. Soll heißen, er fordert die Interimsvorsitzenden quasi auf, ihn zu rufen.

Was ihm aber unter allen Umständen nicht vorzuwerfen ist. Gerade die Granden der SPD haben diese Pflicht zur Verantwortungsübernahme. Und sei es, dass sie scheitern. Deshalb wird der Druck auf, beispielsweise, die Schweriner Ministerpräsidentin Manuela Schwesig noch einmal steigen, es sich anders zu überlegen. Geht sie doch an der Seite von Scholz ins Rennen?

Nach dem 1. September müssen sich alle Kandidaten innerhalb von 38 Tagen auf 23 Terminen in den Landesverbänden vorstellen. Dann, im Oktober, wählen die rund 430.000 SPD-Mitglieder die neue Parteispitze. Ein organisatorischer Kraftakt sondergleichen, finanziell außerdem, und eine große inhaltliche Herausforderung. Soll niemand verbrämen, wofür sie oder er steht! Viel Zeit zum Nachdenken ist nicht mehr; jetzt ist die Zeit, sich zu bekennen. Der Vorteil ist: Es wird die Haltung zu Sachfragen geklärt werden (müssen). Der Nachteil: Die Zerrissenheit der SPD mit ihren vielen Einzelinteressen wird auf offener Bühne vorgeführt. Auch über die größte Frage, ob Groko ja oder nein.

Am Ende, das steht fest, ist in jedem Fall eine neue Parteispitze gewählt. Und damit wird auch befunden über den Wert der Tradition als älteste demokratische Partei und Stabilitätsfaktor der Republik. Nur wenn sich die gesamte SPD dieser Verantwortung stellt und wenn sie ihre Spitze nicht allein dastehen lässt, wird es eine Bewegung nach vorne. Nach dem Motto: vorwärts Genossen, Seit an Seit.

Nur weg vom Abgrund.

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