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Politik: Zur Strafe Demokratie

BUSHS REDE

Von Clemens Wergin

Ist das zu glauben? Um die Demokratisierung der arabischen Welt geht es ihm, sagt USPräsident George W. Bush. Und dass ihm das Leben und die Freiheit der Iraker viel bedeuten. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen durch einen mit Waffen erzwungenen Regimewechsel ums Leben kommen könnten, klingt das schon fast zynisch. Auch wenn es so nicht gemeint ist. Aber Bush hat Schwierigkeiten, im UN-Sicherheitsrat die benötigte Mehrheit für eine zweite Irak-Resolution zusammenzubringen. Da bleibt die Frage, ob seine Demokratisierungsrede jetzt nicht eine Art moralischer Nachbrenner ist, um die Welt doch noch vom Krieg zu überzeugen.

Die Rede des Präsidenten war von den Neokonservativen in den USA lange erwartet worden, die die Meinung vertreten, dass Menschenrechtsinterventionen im amerikanischen Interesse liegen. Und hier begegnen sich ja auch die Argumente der Neokonservativen und die Analyse von Menschenrechtsgruppen. Beide sehen die Diktaturen in Nahost, die arabischen Gesellschaften mit ihrer Unterdrückung als Nährboden für Terroristen. Auch die UN haben im vergangenen Jahr mit ihrem „Arab Human Development“-Report der Region ein tristes Urteil ausgestellt: in der demokratischen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung zurückgeblieben wie sonst nur Teile des südlichen Schwarzafrika. Die „blockierte Entwicklung“ wurde inzwischen zum geflügelten Wort .

Wer die Blockierer sind, ist klar. Es sind arabische Despoten, die ihre Völker tyrannisieren und jede Kritik ersticken. Die auch noch dafür sorgen, dass sich ihre Regime fortpflanzen. In Syrien, dem etwas liberaleren Jordanien und Marokko haben gerade die Söhne die Macht geerbt. In den Golfscheichtümern, dazu im Irak, in Libyen und jetzt sogar in Ägypten bereiten die Herrscher alles dafür vor, dass Söhne oder andere Verwandte die Macht übernehmen – und den ganzen Unterdrückungsapparat gleich mit.

Ein demokratisches Regime im eher säkular geprägten Irak, das könnte in der Tat ein „dramatisches und inspirierendes Beispiel der Freiheit“ sein, wie Bush sagt. Ein externer Schock, der die positiven, die kreativen Energien einer Region freisetzt, den jahrzehntelangen Niedergang stoppt und die verbliebenen Despoten drängt, ihren Bürgern mehr Freiheit zuzugestehen.

Das Problem ist nur: Diesen Idealismus nimmt den Amerikanern keiner so recht ab, schon gar nicht in der Region selbst. Darin liegt die größte Gefahr für Bushs Demokratisierung. Wenn sie von der Gesellschaft im Irak, von den Menschen in der Region nicht angenommen wird, muss sie scheitern. Dabei wird kaum jemand bestreiten, dass der Niedergang der arabischen Welt gestoppt werden muss. Die Chancen, dass es die Araber selbst schaffen, sich ihrer Diktatoren zu entledigen, sind denkbar gering.

Doch die Positionen des „alten Europa“ wie auch der USA sind gleichermaßen paradox. Während die Kriegsgegner in Kauf nehmen, dass im Irak weiter gefoltert und gemordet wird, die Despoten der Region wieder ruhig schlafen können, wollen die Amerikaner Demokratisierung gleichsam à la carte. Beseitigt werden sollen die Diktatoren, die Schwierigkeiten machen; mit allen anderen, zum Beispiel in Saudi-Arabien, wird man weiter beste Beziehungen pflegen. Bush leistet sich also nur einen punktuellen Idealismus, weil Amerikas Sicherheitsinteresse und Amerikas Glauben an die Freiheit in diesem Fall in dieselbe Richtung weisen.

Demokratisierung als Strafe für Ungehorsam – das ist als Botschaft nicht überzeugend. Und das Dilemma bleibt, ob man den Diktator gewaltsam beseitigt oder ihn in Bagdad belässt: Die Moral leidet in beiden Fällen. Die Menschen auch.

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