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Politik: "Zusätzliche aktive Schritte" und ein dubioser "Durchbruch"

Es kam, wer Rang und Namen hatte.Gerufen hatte Kremlchef Boris Jelzin, und sein Auftrag war eindeutig: Rußland soll seine Vermittlungsbemühungen in der Kosovo-Krise fortsetzen.

Es kam, wer Rang und Namen hatte.Gerufen hatte Kremlchef Boris Jelzin, und sein Auftrag war eindeutig: Rußland soll seine Vermittlungsbemühungen in der Kosovo-Krise fortsetzen.Es habe "strikte Anweisungen" gegeben, sagte Außenminister Igor Iwanow am Sonntag nach einer zweistündigen Krisensitzung unter der Leitung Jelzins.An dem Treffen in Jelzins Residenz hatten Ministerpräsident Jewgenij Primakow, der Balkan-Beauftragte Viktor Tschernomyrdin, Verteidigungsminister Igor Sergejew und der Chef des Auslandsgeheimdienstes, Wjatscheslaw Trubnikow, teilgenommen.Der Präsident habe "zusätzliche aktive Schritte" eingefordert, sagte Iwanow.Es seien Maßnahmen, Reisen und Treffen mit den Führungen der NATO-Länder abgestimmt worden.Viktor Tschernomyrdin werde möglicherweise noch in dieser Woche nach London und Paris fliegen.An diesem Montag wird der belgische Außenminister Erik Derycke zu Kosovo-Gesprächen mit Iwanow in Moskau erwartet.

Zeitgleich zum internen Moskauer Gipfel überraschten zweifelhafte Meldungen aus Wien die international tätigen Diplomaten.Abgeordnete des US-Kongresses waren am Sonntag morgen in Wien an die Öffentlichkeit gegangen, nachdem sie dort nach eigenen Angaben "einen Durchbruch" bei Friedensverhandlungen mit russischen Duma-Abgeordneten und einem Vertrauten des jugoslawischen Präsidenten Milosevic erzielt haben wollten.Die Gruppe hatte nach Informationen aus Washington, Bonn und Moskau aber weder einen Verhandlungsauftrag noch die Befugnis, politische Entscheidungen zu treffen.

An diesen zweitägigen inoffiziellen Verhandlungen in Wien, die heimlich stattgefunden hatten, nahm als Leiter der russischen Delegation Wladimir Ryschkow, ein Parteifreund Tschernomyrdins, teil.Außerdem war der jugoslawische Geschäftsmann Dragomir Karic anwesend, der ein enger Freund Milosevic sein soll.Der US-Kongreßabgeordnete Curt Weldon trat schließlich mit der "Übereinkunft" an die Öffentlichkeit: Der ausgehandelte "Plan" sehe unter anderem eine bewaffnete Friedenstruppe für das Kosovo vor, die Belgrad bisher abgelehnt hatte.Milosevic sei am Sonntag unmittelbar nach der Übereinkunft informiert worden und sehe nach Angaben eines "Vertreters" keinen Grund, sie nicht zu akzeptiere, so Weldon.Die "Übereinkunft der russischen und amerikanischen Abgeordneten" will darüber hinaus die parallele Lösung von drei Aufgaben vorsehen: die Beendigung der Luftangriffe der NATO auf Jugoslawien, den Rückzug der serbischen Truppen aus der südserbischen Provinz und die Einstellung der militärischen Aktivität der Kosovo-Untergrundarmee UCK.Das Auswärtige Amt in Bonn wollte die Wiener Berichte nicht kommentieren.Eindeutig sei, daß die Gesprächspartner kein entsprechendes Verhandlungsmandat der NATO-Staaten gehabt haben und auch nicht in deren Namen Vereinbarungen schließen dürfen.

Der famose Plan, an dem auch Dumaabgeordnete der kommunistischen Fraktion und der Ultranationalisten von Wladimir Schirinowski mitgewirkt haben sollen, ist offenbar nicht einmal durch ein Verhandlungsmandat der beiden Parteien gedeckt.Ein technischer Mitarbeiter der KP-Fraktion, der von nichts wußte, vermutet einen "rein privaten Vorstoß" von Hinterbänklern, die Punkte sammeln wollten.

Die Vermutung ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen.Zum einen, weil beide Parteien gewöhnlich keine Gelegenheit zum verbalen Schlagabtausch ober- und unterhalb der Gürtellinie auslassen.Zum andern ist Außen- und Sicherheitspolitik allein Sache des Kremls, der angesichts des bevorstehenden Impeachmentverfahrens gegen Jelzin der Opposition kaum traut.Die Kreml-Runde erwähnte den dubiosen Friedensplan denn auch mit keiner Silbe.

Als "alles andere als einfach" schätzte Tschernomyrdin statt dessen später die Lage in Jugoslawien ein.Es gebe aber Hoffnung, daß sich die Anstrengungen Rußlands langsam auszahlten.Vor Beginn von Verhandlungen müßten jedoch die NATO-Angriffe gestoppt werden, erklärte er erneut."Vor allem müssen die Bombardierungen aufhören, unter denen Menschen sterben, die praktisch nicht verstehen, wozu und warum." Rußland werde als Vermittler weiterhin mit beiden Seiten - mit der NATO und Jugoslawien - zusammenarbeiten.Erst Ende der Woche war Tschernomyrdin zu Gesprächen über die Kosovo-Krise nach Bonn, Rom und Belgrad gereist.

Demgegenüber verlangen die Maximalforderung der NATO nach einem Ende des gewaltsamen Vorgehens im Kosovo, nach dem Rückzug aller Armee- und paramilitärischen Einheiten und nach der Erlaubnis zur Rückkehr der Flüchtlinge unter dem Schutz einer internationalen NATO-Truppe.

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