HINTERGRUND: 100 000 Allee-Bäumen weniger?
Potsdam - Ein geplanter Erlass der Landesregierung gefährdet aus Sicht von Naturschützern die Alleen in Brandenburg. Er würde zum Verschwinden eines Drittels des Baumbestandes an Bundes- und Landesstraßen führen, sagten Verbandsvertreter am Freitag in Potsdam.
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Potsdam - Ein geplanter Erlass der Landesregierung gefährdet aus Sicht von Naturschützern die Alleen in Brandenburg. Er würde zum Verschwinden eines Drittels des Baumbestandes an Bundes- und Landesstraßen führen, sagten Verbandsvertreter am Freitag in Potsdam. Der ihnen im Entwurf vorliegende Erlass sehe vor, dass in den nächsten 20 Jahren viel weniger Alleebäume nachgepflanzt als gefällt werden. Selbst nach Angaben des Infrastrukturministeriums würden bis in die 2020er Jahre mehr als 100 000 Bäume verloren gehen. Die Regierungspläne verstoßen aus Sicht der Schutzgemeinschaft Brandenburger Alleen gegen das Naturschutzgesetz.
Verschwinden von Alleen „skandalöser Rechtsbruch“ „Ich finde es skandalös, dass hier offener Rechtsbruch betrieben wird, sagte der Landesgeschäftsführer des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Wolfgang Mädlow, vor Journalisten. Wenn die Öffentlichkeit um 100 000 Bäume betrogen werde, sei das „ein starkes Stück“. „Das ist ein ganzer Wald.“ Für Brandenburg als alleenreichstes Bundesland seien die Baumstraßen ein Markenzeichen, ihr Schwund würde die Landschaft deutlich verändern. Bei ihrem Erlass beriefen sich die Ministerien für Infrastruktur und Umwelt auf die Alleenkonzeption von 2007, die die Nachpflanzung von Bäumen, die während der kommenden Jahren gefällt werden, in die „ferne Zukunft“ verschiebe.
Danach sollen jährlich 5000 Bäume – entsprechend 30 Kilometer – neu gepflanzt werden. Gleichzeitig müssten jedoch – bedingt durch den schlechten Zustand vieler Alleebäume – jährlich bis zu 9000 Bäume gefällt werden. Erst um das Jahr 2060 herum würde der Alleenbestand wieder den jetzigen Umfang erreichen, sagten die Vertreter der Schutzgemeinschaft Brandenburger Alleen und wiederholten damit ihre seit Jahren geäußerte Kritik an der Regierungspolitik. Indem der geplante Erlass nur für fünf Jahre gelten solle, sei er nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt, meinte Wolfgang Ewert von der Schutzgemeinschaft. „Alles andere steht in den Sternen.“
Dellmann weist Betrugsvorwurf zurück Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) wies den Betrugsvorwurf entschieden zurück. Das im September 2007 beschlossene Alleenkonzept werde kontinuierlich mit dem Ziel umgesetzt, den Alleenbestand entlang einer Gesamtstrecke von 2500 Kilometern Bundes- und Landesstraßen dauerhaft zu sichern, hieß es in einer Stellungnahme. Im vergangenen Jahr seien statt der versprochenen 30 sogar 34,5 Kilometer neu angelegt worden. Von 7595 neuen Straßenbäumen seien 5157 in geschlossenen Allee-Abschnitten gepflanzt worden; 7445 wurden gefällt, davon 3696 in Alleen.Ronald Bahlburg
Brandenburg ist nach Angaben des brandenburgischen Infrastrukturministeriums noch vor Mecklenburg-Vorpommern das alleenreichste Bundesland. Während hier 34 Prozent der 6400 Kilometer Bundes- und Landesstraßen - also rund 2500 Kilometer - von Bäumen gesäumt seien, verfüge das Nachbarland über 1500 Kilometer Alleen, was 28 Prozent der Gesamtlänge von 5300 Kilometern entspreche. Die meisten Alleebäume sind überaltert: Rund 70 Prozent von ihnen seien 70 bis 90 Jahre alt. Der Lebenszyklus eines Baumes umfasse rund 80 Jahre, die letzte große Welle von Pflanzungen habe es in den 1930er Jahren gegeben. dpa
Ronald Bahlburg
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