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Von Alexander Fröhlich: 112 Protestmärsche der „Freien Heide“

Weit über 1000 Menschen feierten am Sonntag den Verzicht der Bundeswehr auf das sogenannte Bombodrom

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Schweinrich - Weit mehr als tausend Menschen feierten gestern in Schweinrich bei Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) ein doppeltes Fest: Das 17-jährige Bestehen der Bürgerinitiative Freie Heide und deren größten Erfolg: Den Verzicht der Bundeswehr auf das Bombodrom. Bei schönstem Wetter kamen Mitstreiter der Initiative, Politiker und Ausflügler auf eine Wiese am Ortsrand. Es ist eine historischen Platz: Genau dort hatten Bombodrom-Gegner , am 15. August 1992 erstmals gegen die Pläne des Bundeswehr für einen Luft-Boden-Schießplatz protestiert. Gestern vor genau 17 Jahren war in der örtlichen Gaststätte die Initiative gegründet worden. Deren Sprecher Benedikt Schirge erinnerte an das Engagement der Mitglieder und würdigte deren Einsatz für die zivile Nutzung des ehemals sowjetischen Übungsplatzes. „Es ist unglaublich“, jubelte Schirge. „Genau hier ist eine kleine Bürgerinitiative gegründet worden, die mehrere Bundesländer erfasst und deutschlandweit Aufmerksamkeit erregt hat. Nun ist das Bombodrom Vergangenheit in der Kyritz-Ruppiner Heide.“ Von einem „wahren Wunder“ sprach Pfarrer Reinhard Lampe, der ebenfalls an die Geschichte des Protestes und die Rolle der evangelischen Landeskirche erinnerte. Der Geistliche hatte bereits die Andacht bei der ersten Protestwanderung 1992 gehalten, die seither Tradition ist. Bis zuletzt organisierte die Freie Heide insgesamt 112 Protestmärsche gegen das Bombodrom.

Anfang Juli hatte das Bundesverteidigungsministerium nach jahrelangem Widerstand der Region, der Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie nach 27 Niederlagen vor Gerichten einen Verzicht auf die Nutzung des 12 000 Hektar großen Areals erklärt. Ursprünglich hatte die Bundeswehr den Schießplatz für bis zu 8500 Tiefflüge pro Jahr weiter nutzen wollen. Trotz aller Freude über die Aufgabe dieser Pläne herrschte dennoch Verunsicherung. Grund waren die Verlautbarungen aus dem Bundesverteidigungsministerium zur Zukunft der Kyritz-Ruppiner Heide und zu den Kosten für die Dekontamination der munitionsbelasteten Fläche. Bislang hatte das Bundesverteidigungsministerium offiziell 220 Millionen Euro für die Beräumung veranschlagt, der Chef des Bundeswehrstandorts bei Wittstock brachte jüngst jedoch eine Summe von 400 Millionen Euro für die rund 1,5 Millionen Blindgänger und Munitionsreste in Spiel. Zuletzt hatte ein Ministeriumssprecher mit Spekulationen über eine mögliche Nutzung des Areals durch das Heer für Verwirrung gesorgt.

Mehrere Redner forderten gestern daher die baldige Beräumung und eine schnelle Rückgabe von Flächen an die Gemeinden und früheren Eigentümer. Reiner Geulen, Anwalt der Bombodrom-Gegner, erklärte: „Große Teile vor allem im Norden sind kaum belastet. Diese könnten in zwei bis drei Jahren für geringe Kosten beräumt sein und zugänglich gemacht werden.“ Wenigstens zwei Drittel der Heide- und Waldlandschaft könnten binnen weniger Jahren wieder freigegeben werden. Ohnehin sei die Bundesregierung in der Pflicht, darüber seien sich die Bombodrom-Gegner und die Landesregierung einig. Eine Nutzung des Geländes durch das Heer nannte Geulen eine „Schnapsidee. Allein das Genehmigungsverfahren würde mindestens zehn Jahre dauern“.

Landrat Christian Gilde (SPD) sagte: „Jetzt ist der Bund gefragt. Er ist für die Auswirkungen des Kalten Krieges zuständig. Wir werden kämpfen, bis wir die Heide zurückbekommen.“

Auch die Fraktionschefin der Linken im Potsdamer Landtag, Kerstin Kaiser, forderte am Rande des Festes von der Bundeswehr klare Aussagen. Jetzt müssten schnellstens Gelder zur Munitionsräumung bereit gestellt werden.

Der frühere Konversionsbeauftragte Brandenburgs, Roland Vogt (Grüne), rief noch für den Abend zu einem Gespräch zur Zukunft der Heide und das weitere Vorgehen auf.

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