Von Werner van Bebber und Annette Kögel: 12-Jähriger handelte in Berlin mit Heroin
Zivilbeamte fanden 150 Drogenkugeln bei Jungen in Kreuzberg. Dealer schicken oft Strafunmündige vor
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Berlin - Zwei Berliner Zivilpolizisten haben am Montagabend einen 12 Jahre alten Jungen mit 150 Heroinkügelchen gefasst. Der Junge sei den Ermittlern in einer Grünanlage an der Skalitzer Straße im Berliner Stadtteil Kreuzberg aufgefallen, weil er im Sand wühlte, teilte die Polizei mit. Als die Polizisten den Jungen libanesischer Herkunft ansprachen, versuchte er wegzulaufen. Die Polizisten konnten ihn aber festhalten und fanden dann in einem Erdloch, in dem der Junge gegraben hatte, 150 Heroinkugeln, wie sie im Rauschgifthandel üblich sind. Die Droge wurde – wie auch die Geldmenge, die der Junge bei sich hatte – beschlagnahmt. Nach der erkennungsdienstlichen Behandlung sei der junge Rauschgifthändler, der noch nicht strafmündig ist, den Betreuern in einem Berliner Wohnheim übergeben worden. Er sei dort schon länger untergebracht, und er sei erstmalig aufgefallen, teilte die Polizei weiter mit.
Die Ermittler wollten den Jungen nach der Herkunft des Rauschgifts befragen. Über die Lage des Wohnheims war gestern von den Behörden nichts zu erfahren; aus Jugendschutz-, aber auch aus ermittlungstaktischen Gründen, wie es hieß. In solchen Fällen werden üblicherweise das Jugendamt und über dieses dann die Eltern benachrichtigt. Im Jugendamt Kreuzberg-Friedrichshain war der Fall gestern noch nicht bekannt.
Die kleine Grünanlage zwischen Mariannen- und Manteuffelstraße gilt als Ort, an dem Eltern ihre Kinder nicht gern alleine lassen. Sie liegt versteckt hinter einer Mauer, wurde mal liebevoll gestaltet, gilt aber selbst tagsüber als nicht sonderlich sicher, da sich teils dubiose Gestalten an den Gebüschen herumdrücken, wo auch der mutmaßliche Jungdealer sein Versteck hatte.
In den kleinen Heroinkügelchen sind je etwa rund 0,3 Gramm Heroin eingewickelt. Jede Kugel kostet im Straßenhandel etwa 20 Euro. Drogenkonsumenten – in unmittelbarer Nähe liegt das als Drogenumschlagplatz verschriene Kottbusser Tor – wissen, wie man die Alupapierlagen auswickelt, ein Feuerzeug darunter hält und die Droge mit Hilfe eines Strohhalmes durch Nase oder Mund inhaliert.
„Es ist bekannt, dass die Händler, meist Schwarze oder libanesische Großfamilien, ihre Kinder vorschicken, weil sie noch nicht strafmündig sind“, sagt Bilal Y., der seinen vollen Namen nicht nennen will. Er selbst sei gerade auf Entzug, habe eine Tochter, „aber trotzdem kein schlechtes Gewissen gehabt, von Kindern“ wie dem 12-Jährigen zu kaufen. „Wenn man abhängig ist, ist einem das egal,und sie schicken die Kinder so oder so vor.“ Im Görlitzer Park bekäme man alles: LSD, Koks, Pilze, auch Waffen und Munition.
Der Polizei werden dieses Jahr wohl wieder einige tausend Kinder als Tatverdächtige auffallen. 5585 waren es laut polizeilicher Kriminalstatistik 2008 – wobei die Jugenddelinquenz abgenommen hat, weil der Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Bevölkerung sank. Das gilt für tatverdächtige Kinder deutscher Herkunft. Bei den Kinder aus Einwandererfamilien nahm der Anteil der verdächtigten Jung-Straftäter zu: Zu 70,7 Prozent geraten Jungen in den Verdacht, eine Straftat begangen zu haben – wobei junge Rauschgifthändler selten sind. Statistisch überwiegt bei der Kinderdelinquenz der Ladendiebstahl, gefolgt von Körperverletzung und Sachbeschädigung. Wegen Rauschgiftdelikten wurden 2008 insgesamt 28 Kinder festgenommen.
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