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Brandenburg: 160 Überlebende

Brandenburg erinnert in Sachsenhausen und Ravensbrück an den 70. Jahrestag der Befreiung. Gedenkstättendirektor Morsch kritisiert Umgang mit NS-Geschichte

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Potsdam/Oranienburg - Der 70. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager wird in Brandenburg mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen begangen. Dazu werden auch rund 160 Überlebende aus aller Welt erwartet, darunter 89 Frauen, die einst im KZ Ravensbrück inhaftiert waren. „Wir müssen diesen Menschen zuhören“, sagte der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, bei der Vorstellung des Gedenkprogramms vom 17. bis 20. April am Mittwoch in Potsdam. Die Gedenkfeiern seien möglicherweise die letzte Chance dazu, denn die Überlebenden sind heute hochbetagt. „Diese 90-jährigen Menschen kommen zurück, um ihrer Befreiung zu gedenken“, betonte Morsch. Ihnen liege jedoch vor allem am Herzen, der Trauer über die, die nicht überlebt haben, Ausdruck zu verleihen.

Viele NS-Opfer hätten den Eindruck, gescheitert zu sein. Sie hätten einst angesichts des unvorstellbaren Terrors der Nationalsozialisten geglaubt, es werde nach dem Ende des NS-Regimes gelingen, Rassismus und Antisemitismus erfolgreich zu bekämpfen, sagte Morsch: „Das Gegenteil erleben wir.“ Auch deshalb sei es wichtig, dass die Gedenkfeiern zu einem „Jahrestag des Zuhörens“ werden.

Bei der zentralen Feier in der Gedenkstätte Sachsenhausen am 19. April werden unter anderem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) und der israelische Überlebende Saul Oren sprechen, sagte Morsch. An der Gedenkveranstaltung in Ravensbrück will unter anderem Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) teilnehmen. Auch zahlreiche Vertreter anderer Staaten würden zu den Feiern erwartet, darunter die Ehefrau des polnischen Präsidenten, Anna Komorowska, und die polnische Kulturministerin Malgorzata Omilanowska.

Brandenburgs Kulturministerin Sabine Kunst (parteilos) betonte, Ravensbrück und Sachsenhausen seien „besondere Erinnerungsorte für die zahllosen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung“. Es sei Mahnung und Verpflichtung zugleich, immer wieder an die unvorstellbaren Gräueltaten zu erinnern. Morsch kritisierte, die Erinnerung an NS-Verbrechen und NS-Geschichte würden heute oft verfälscht, um politische Tageskämpfe zu führen wie aktuell in der Ukraine. Dem müsse entschieden entgegengetreten werden.

Auch an anderen Orten in Brandenburg sind insgesamt rund 30 Gedenkveranstaltungen geplant, darunter am 17. April in der Todesmarsch-Gedenkstätte im Belower Wald bei Wittstock. Am 20. April wird am ehemaligen KZ-Außenlager Klinkerwerk in Oranienburg ein neuer Gedenkort eingeweiht. Am 23. April wird am Ort der Befreiung des sogenannten „Verlorenen Zugs“ aus dem KZ Bergen-Belsen in Tröbitz in Südbrandenburg eine neue Freiluft-Ausstellung eröffnet.

„Der Anblick der Soldaten belebte und befreite uns von der Lethargie, der wir schon so lange verfallen waren“, beschreibt ein früherer KZ-Häftling diesen Tag im April 1945: „Waren wir frei? Uns war noch nicht bewusst, was geschah, aber trotz unseres vernebelten Verstandes begannen wir zu spüren, dass wir endlich das Ende unseres Albtraums erlebten.“ In den Konzentrationslagern Ravensbrück und Sachsenhausen wurden bis in den April 1945 hinein weit über 300 000 Menschen inhaftiert, Zehntausende wurden ermordet oder kamen durch die Haftbedingungen ums Leben. Das KZ Sachsenhausen wurde am 22. April, das KZ Ravensbrück am 30. April 1945 von der Roten Armee befreit. Yvonne Jennerjahn

Yvonne Jennerjahn

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