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Förderung: 17 Prozent der Kita-Kinder haben Sprachprobleme

Trotz Förderprogrammen des Ministeriums haben viele Brandenburger Vorschulkinder Defizite. Den Erziehern darf die Lösung des Problems aber nicht alleine überlassen werden, meinen Experten.

Von Katharina Wiechers

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Potsdam - Sie verwechseln einzelne Buchstaben, machen Fehler bei den Verbformen oder stottern. 17 Prozent der Brandenburger Kinder haben bei der Einschulung Sprachdefizite – das ist mehr als jedes sechste. Das geht aus der aktuell vorliegenden Sprachstandsfeststellung bei Kindern im Vorschulalter hervor, wie das Bildungsministerium auf PNN-Anfrage mitteilte. Die Werte sind zwar geringfügig besser als in den Schuljahren zuvor – 2009/10 waren es 19,7 Prozent, ein Jahr später 18,4 Prozent. Dennoch ist der Wert etwas schlechter als zum Beispiel in Berlin, wo der Wert beim jüngsten Test bei 16,3 Prozent lag. Seit einigen Jahren ist die Sprachstandsfeststellung in beiden Ländern für alle Kinder verpflichtend – ob sie eine Kita besuchen oder nicht.

Regional schneiden die Brandenburger Kinder sehr unterschiedlich ab. Am höchsten waren die Defizite bei der Erhebung zum laufenden Schuljahr mit 23,7 Prozent in Frankfurt (Oder) und im Landkreis Prignitz (22,6 Prozent). Am besten schnitten mit 9,7 Prozent die Kinder in Potsdam ab, auf Platz zwei landete der Landkreis Potsdam-Mittelmark mit 11,9 Prozent.

Seit 2006 versucht das Land, mit dem Programm„kompensatorische Sprachförderung“ gegen die Defizite vorzugehen. So wurden laut Ministerium bis zum Schuljahr 2009/10 die Erzieher für alle 1450 Kitas für die Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung qualifiziert. Seitdem sollen sie nach dem Trainingsprogramm „Handlung und Sprache“ vorgehen, das Wissenschaftler für sogenannte Risikokinder entwickelt haben. Allerdings hat sich dadurch laut einer Studie der Freien Universität Berlin und des Instituts für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg (ISQ) aus dem Jahr 2011 kaum etwas geändert. Lediglich kurzfristig konnten positive Effekte nachgewiesen werden, langfristige – etwa bei späteren Schulleistungen – allerdings nicht. Nach Angaben der Autoren der Studie deckt sich dies mit den Ergebnissen ähnlicher Untersuchungen in anderen Bundesländern, die ebenfalls keine messbaren Erfolge durch Förderprogramme feststellen konnten. Gründe dafür könnten der Studie zufolge mehrere sein: Entweder ist die zeitlich begrenzte, standardisierte Sprachförderung generell ungeeignet. Oder aber es liegt am Programm „Handlung und Sprache“, das möglicherweise unwirksam ist oder nicht angemessen implementiert wurde. Auch eine mögliche Überforderungen der Erzieher bringen die Autoren ins Spiel. Als Konsequenz aus den schlechten Ergebnissen hat das Land im Dezember 2011 ein Konzept zur Weiterentwicklung der Sprachförderung vorgelegt. 1,7 Millionen Euro stehen seitdem jährlich für den Einsatz von Sprachberatern in den Kitas, zusätzliche Fortbildungen der Erzieher und weitere Hilfsinstrumente wie etwa eine DVD zur Verfügung.

Doch aus Sicht von Carola Schnitzler, Pädagogikwissenschaftlerin und Dozentin an der Universität Potsdam, ist es nur begrenzt sinnvoll, allein den Erziehern die Lösung des Problems zu überlassen. Schließlich müsse zwischen Kindern mit Sprachförderbedarf, Sprachauffäligkeit und Spacherwerbsstörungen unterschieden werden. Ein Sprachförderberdarf liegt vor, wenn Kinder etwa drei bis vier Monate in der Entwicklung hinterherhinken, oft begründet durch ein niedriges Bildungsniveau der Eltern oder einen Migrationshintergrund. Diese seien durchaus mit einer gezielten Förderung in der Kita zu erreichen, sagt Schnitzler. Anders sehe es aber bei sprachauffälligen Kindern aus, die etwas sechs Monate in der Entwicklung zurückgeblieben sind. „Diese Kinder brauchen logopädische oder sprachtherapeutische Fachkräfte und eine gezielte Therapie, die auch von der Krankenkasse übernommen wird“, sagt Schnitzler. Dies gelte erst recht für sprachgestörte Kinder. Eine Störung liege zum Beispiel vor, wenn Kinder Kannengaum statt Tannenbaum sagten. „Die Eltern denken oft, das wächst sich aus oder sie verlassen sich auf die Förderung im Kindergarten“, sagt die Wissenschaftlerin. Tatsächlich könnten die Erzieher in den Kitas dies aber nicht leisten. „Das Problem rein bildungspolitisch zu betrachten ist falsch“, meint Schnitzler.

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