Brandenburg: 180 000 Brandenburger weniger
Bevölkerungsschwund stellt Land vor neue Herausforderungen / Ehrenamt statt staatliches Engagements
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Bevölkerungsschwund stellt Land vor neue Herausforderungen / Ehrenamt statt staatliches Engagements Potsdam (PNN/thm). Die Brandenburger werden sich noch in diesem Jahrzehnt in den Randregionen an längere Wege gewöhnen müssen – zu Schulen, Ärzten, Krankenhäusern. „Das Land muss sich auf die demographische Herausforderung einstellen. Man kann diesen Trend nicht stoppen oder umdrehen", sagte Staatskanzleichef Rainer Speer am Mittwoch nach einer Klausur des Kabinetts zu diesem Thema. Speer machte deutlich, dass staatliche Aufgaben weiter eingeschränkt werden müssen, zumal der öffentlichen Hand immer weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stünden. So seien weitere Schulschließungen oder Einschnitte im öffentlichen Nahverkehr unvermeidlich. Die soziale Daseinsvorsorge werde stärker als bisher über einen „Wohlfahrtsmix“ aus unbezahltem Ehrenamt, öffentlichen Leistungen und Familien-Engagement abgesichert werden müssen, betonte der Staatskanzleichef. Nach jüngsten Prognosen wird Brandenburg bis zum Jahr 2020 rund 180 000 Einwohner verlieren, wobei besonders die bereits jetzt dünnbesiedelten berlinfernen Gegenden wie Uckermark und Prignitz betroffen sein werden. Gleichzeitig steigt der Anteil von Senioren dramatisch an, während junge Leute fehlen: Schon ab 2007 erwartet Brandenburg einen Mangel an Auszubildenden und Facharbeitern. Speer kündigte an, dass eine Kommission unter Führung der Staatskanzlei bis nächstes Frühjahr konkrete Empfehlungen für die Regierung entwickeln wird, wie das Land am besten auf die demographische Entwicklung reagiert – „ohne Katastrophenszenarien“ zu verbreiten. Dabei geht es auch um eine Umkehr der bisherigen Förderpolitik, die nach dem Prinzip der „dezentralen Konzentration“ besonders auf die Randregionen ausgerichtet war. So haben bislang 26 Städte, die sich zumeist in der Peripherie des Landes befinden, einen besonderen Status – als Zentren, die besonders gefördert werden. Speer machte keinen Hehl daraus, dass diese Zahl deutlich reduziert werden muss. Auch über eine neue Kreisgebietsreform wird intern bereits nachgedacht. So gibt es im Innenministerium Überlegungen die Zahl der bislang 14 Landkreise deutlich zu verringern, und die unter besonderen Einwohnerschwund leidende Städte wie Frankfurt/Oder und Brandenburg/Havel in die umliegenden Landkreise einzugliedern. Speer stellte allerdings klar, dass in dieser Legislaturperiode eine Kreisreform kein Thema mehr sei wird. Keine Einigung in der Großen Koalition gibt es bisher, wie die Schullandschaft Brandenburgs angesichts bevorstehender drastischer Schülerrückgänge bei den 7. bis 10. Klassen künftig aussehen wird: Die SPD will nach dem Modell Sachsens die bisherigen Gesamtschulen und Realschulen zu sogenannten „Sekundarschulen“ fusionieren, weil die bisherige Vielfalt an Schultypen nicht mehr zu finanzieren sein wird, ein Fortbestand des bisherigen Systems zu unzumutbar weiten Schulwegen führen würde. Die Union lehnt dies bisher ab. Mit dem Thema soll sich im Oktober ein Koalitionsausschuss – das Gremium für nicht zu klärende Streitfragen im rot-schwarzen Regierungsbündnis – befassen.
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