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Brandenburg: 30 Zentimeter führten zur Katastrophe

Hilflos mussten Breeser Familien mit ansehen, wie das Hochwasser vor einem Jahr ihr Hab und Gut vernichtete. Sie wohnen auf der falschen Seite des Deiches und warten nun auf einen neuen

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Breese - Eine Markierung an der Hauswand braucht Bärbel Neumann (69) aus Breese in der Prignitz nicht. Sie bückt sich und zeigt, wie hoch das Wasser im vergangenen Juni in Wohnstube, Küche, Schlafzimmer und Bad im kleinen Haus stand. „Etwa 30 Zentimeter“, sagt sie - für Familie Neumann und 13 andere Hausbesitzer in dem Ortsteil von Wittenberge eine Katastrophe.

Im vergangenen Mai und Juni waren weite Teile Ost- und Süddeutschlands überschwemmt. Durch das Hochwasser der Elbe war das eigentlich beschauliche Flüsschen Stepenitz zu einem reißendem Gewässer geworden.

Die durch Breese führende Hauptstraße wurde mit Sandsäcken zu einem Notdeich erhöht. Der Ort war zwar geschützt, aber nicht die Familien auf der Seite zur Stepenitz. Sie konnten zusehen, wie das Wasser höher und höher stieg. Angst vor einer Wiederholung haben alle. Gerade erst sind die Schäden beseitigt. Doch ein banger Blick gilt immer den Wetterprognosen. „Solange der versprochene Deich nicht da ist, kann ich keine Nacht ruhig schlafen“, sagt Bärbel Neumann. Ob er wirklich bis 2017 kommt, bezweifelt die Rentnerin. „Uns wurden zu viele Versprechungen gemacht.“ Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) beruhigt: „Wir sind im Zeitplan.“ Das Landesumweltamt bearbeite die Aufgabe mit der gebotenen fachlichen Sorgfalt. Im ersten Halbjahr solle das Planfeststellungsverfahren für drei Baulose beendet werden. „Bisher habe ich keinen Anlass, am Baubeginn im zweiten Halbjahr zu zweifeln“, sagt sie. Der Hochwasserschutz für Breese sei bis 2017 realisiert. „Breese hat besondere Priorität“, betont sie.

Vor einem Jahr liefen die Pumpen Tag und Nacht. Bei den meisten wurde das gesamte Mobiliar, Fußböden, Türen und Trockenwände ruiniert. Die Zeit reichte damals nicht, um alles in Sicherheit zu bringen. Bei Familie Nickel, letztes Haus in Sichtweite des Flusses, konnten der Fernseher, Gardinen und Kleidung gerettet werden. Karissa Nickel fing noch einmal ganz von vorn an.

Beim Ehepaar Mierke sind die Hochwasserschäden noch deutlich zu sehen. Im Wohnbereich ist zwar alles wieder ordentlich. Aber die berufliche Existenz ist vernichtet. Das Paar belieferte Kunden mit „Essen auf Rädern“ und vermietete Privatzimmer.

„Für den Gewerbebereich meldeten wir zu spät die Schäden an“, sagt die 56-jährige Monika Mierke, die an Krebs schwer erkrankte. „Die Frist war abgelaufen“, sagt sie unter Tränen. Einsprüche seien bislang abgelehnt worden.

Damit fehlt das Geld, alles wieder herzurichten. Auf dem Grundstück lagern noch nicht entsorgte Möbelreste. Das Schild „Privatzimmer“ am Tor erinnert an bessere Zeiten.

Bärbel Neumann ist wieder stolz auf ihr Häuschen. Es sieht schmuck aus: außen und innen frische Farbe, neue Möbel, Fliesen, Türen. Zu Weihnachten kam die neue Küche, ihr ganzer Stolz. Dank der Versicherung und Soforthilfen gelang das kleine Wunder. Noch nicht mal ein Jahr alte Fotos zeigen ein anderes Bild: Dreck und aufgerissene Böden. Der modrige Gestank ist zu erahnen.

Wie im Vorjahr tragen die Erdbeeren erste Früchte und das Grün der Kartoffeln bricht durch die Erde. Doch 2013 vernichtete das Hochwasser die Ernte.

„Die Angst bleibt“, sagt Sohn Jens. Er ist aus Bayern in die Heimat zurückgekommen, um den Eltern beizustehen. Einmal soll er das Elternhaus übernehmen. „Wir brauchen den Deich“, sagt er. Seine beim Hochwasser eingerichtete Facebook-Seite zur Unterstützung der Breeser Familien bleibt so lange.

Gudrun Janicke

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