Brandenburg: 6 Kilogramm schwere Sorgen
Bündnisgrüne diskutieren mit Vertretern des Hahn-Meitner-Institutes über das Für und Wider des Forschungsreaktors in Berlin-Wannsee
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Bündnisgrüne diskutieren mit Vertretern des Hahn-Meitner-Institutes über das Für und Wider des Forschungsreaktors in Berlin-Wannsee Potsdam - Lediglich in einem waren sich die Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen und die Mitarbeiter des Hahn-Meitner-Instituts (HMI) einig: Verglichen mit den Risiken eines Atomkraftwerkes ist der Forschungsreaktor in Wannsee ein „Promillethema“. Anlass zur öffentlichen Diskussion am Dienstag auf der Mitgliederversammlung der Grünen war die jetzt verschickte Notfallbroschüre des Instituts, die über den Reaktor aufklären und über Verhaltensweisen im Katastrophenfall informieren sollte. Nils Naber, Sprecher des Potsdamer Kreisverbandes der Grünen, monierte, dass bei vielen der 20000 im Vier-Kilometer-Umkreis angeschriebenen Haushalte – die meisten davon in Potsdam – die Broschüre statt Aufklärung Irritation und Verängstigung bewirkte. Denn Ratschläge, die das Schließen von Fenstern und Türen und das Warten auf die Jodtabletten verteilende Polizei empfehlen, würden eher an jene Unter-den-Tischen-Versteck-Szenarien des Kalten Krieges anmuten, als an beruhigende Informationspolitik. Tatsache ist jedoch, so Dr. Guido Buchert von der Abteilung Strahlungsschutz des HMI, dass von den sechs Kilogramm Uran des Hahn-Meitner-Reaktors nur eine relativ begrenzte Gefahr ausgeht: Selbst bei einer 100-prozentigen Freisetzung des Kernmaterials würden in unmittelbarer Umgebung des Institutes Strahlungswerte von rund 100 Millisievert, der Maßeinheit für Strahlendosis, erreicht, direkte Strahlungsschäden sind aber erst bei Werten ab 1 Sievert zu erwarten. Um so unbegreiflicher erscheint deshalb auch der Umstand, dass die Broschüre weder diese noch andere Zahlen nennt, und so wenig Möglichkeit gibt, die Gefährlichkeit des Reaktors einschätzen zu können. So bemängelt dann auch die anwesende Sprecherin der Berliner Grünen für Umwelt-, Europa- und Sparpolitik, Felicitas Kubala, die „defensive Informationspolitik“ des Institutes und mahnt die Stilllegung des Reaktors an – auch in Hinblick auf die durch terroristische Anschläge veränderte Sicherheitslage. Denn so gering die Gefährdung der Bevölkerung im Vergleich zur Kernschmelze eines AKWs auch sein mag, „Langzeitschäden wird es nach einem GAU geben“, gibt auch Thomas Robertson, Pressesprecher des HMI, zu. Weitere Gründe für ein Abschalten des Reaktors sind die spätestens nach 2009 ungeklärte Entsorgungsfrage des Brennmaterials und die Tatsache, dass der Reaktor des HMI im Gegensatz zu anderen Forschungsreaktoren in Deutschland, kein „Containment“, keine zusätzlich schützende Betonummantelung besitzt – diese war beim Bau des Reaktors aus Kostengründen eingespart worden. Ein Abschalten des Reaktors scheint aber unwahrscheinlich: Die Existenz des HMI ist eng mit der Forschung am Reaktor verknüpft. Laut Bundesverfassungsgericht, so der Wortlaut in der Broschüre, lägen die Risiken, die vom HMI ausgehen, „jenseits der Schwelle praktischer Vernunft.“ Was nicht heißt, dass man nicht weiter das Institut im Auge behalte, so Kubala.
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