zum Hauptinhalt

Brandenburg: 99 Sorten Asphalt zur Auswahl

Fünf Jahre nach dem Umzug an Rand von Königs Wusterhausen: Die Diepenseeer haben sich eingelebt

Stand:

Königs Wusterhausen – Es scheint, als ob eine unsichtbare Hand ein paar bunte Häuschen auf die Wiese gewürfelt hat. Gerade noch ging es an den alten grauen Mauern in Königs Wusterhausen vorbei, da eröffnet sich an der nächsten Straßenecke eine schöne neue Welt: Diepensee. Das Dörfchen ist vor fünf Jahren komplett umgezogen, sogar ein paar Pflanzen wurden aus der Erde genommen und zwölf Kilometer entfernt wieder eingesetzt. Die Gemeinde wich der Großbaustelle des künftigen Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg International (BBI). Wo sie einmal lag, sollen ein Terminal sowie eine Start- und Landebahn entstehen. Ein Aussichtsturm für Besucher ist schon da; dort war früher der Dorfteich.

Es war kein einfaches Projekt, doch die Diepenseeer wollten es so. „Der Umzug verlief einwandfrei, es gab gar keinen Streit“, sagt der stellvertretende Bürgermeister der rund 300-Seelen-Gemeinde, Helmut Mayer. Nach dem Motto „Neu für Alt“ bekam jeder Bürger ein Haus, das in Ausstattung und Größe seinem alten entsprach.

Extrawünsche mussten selbst bezahlt werden. Die Mieter konnten sich aussuchen, mit wem sie ein Mietshaus bewohnen wollten. „Eine Woche lang haben wir jeden befragt: Mit wem willst du wohnen? Und die Hausbesitzer fragten wir: Wo soll dein Häuschen stehen?“, erzählt Meyer.

Und so wohnt die 71-jährige Marianna Klopsteg nun gleich unter ihrer Freundin Hilde. „Hildchen sagt so oft: “Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so schnell hier heimisch fühlen.“ Aber so ist es “, sagt Frau Klopsteg. Auf rund 40 Quadratmeter wohnt die alte Dame, die stolz ihre Pflänzchen im Garten zeigt. „Da, die Rose hab ich auch aus Alt-Diepensee mitgenommen.“

In jede Entscheidung wurden die Bürger einbezogen. Brauchen wir wieder einen Dorfteich? Ja. Einen Rodelberg? Ja. Einen Bolzplatz? Ja. „Wir sollten sogar aus 99 Sorten den Asphalt für die Straßen auswählen“, erzählt Frau Klopsteg. „Das hat schon Nerven gekostet.“ Vor dem Umzug suchten die Diepenseeer einen geeigneten Platz für ihr neues Dorf. Sie stiegen in Reisebusse und nahmen jeden der zehn möglichen Standorte genau in Augenschein. Schließlich entschieden sie sich für eine Angliederung an Königs Wusterhausen, wenn auch knapp mit 5:4 Stimmen im Gemeinderat, wie der Bürgermeister erzählt. Unter anderem war ausschlaggebend, zu Fuß zum Arzt und zum Einkaufen gehen zu können, denn die Diepenseeer sind im Schnitt nicht mehr die Jüngsten.

„Jeder hat sich verbessert, wer ''Nein'' sagt, der lügt“, berichtet Klopsteg. Als die Einwohner 1996 erfuhren, dass ihr Dorf „plattgemacht“ werden soll, bemühte sich niemand mehr um die Instandhaltung der Häuser. Viele Dächer waren undicht, viele Mauern morsch. Im neuen Diepensee ist alles sauber. Die Bäume entlang der Hauptstraße sind noch klein und dünn, die Häuser hell und bunt, in den Wiesen wächst kein Unkraut - fast wirkt alles etwas künstlich.

Die Diepenseeer sind stolz auf ihr Dörfchen und halten zusammen. Im Gemeindehaus ist jeden Abend etwas los: Bastel-Club, Seidenmalerei, Seniorenturnen, Skatclub. Im Juni feiert die Gemeinde ihr fünfjähriges Bestehen mit einem Dorffest. Und als gebe es nicht schon genug Diepensees – ein altes und ein neues – so wurde bei den Bauarbeiten noch eines gefunden: Ein uraltes aus dem Mittelalter, mit einer Kirche, Kellern und einem Friedhof aus dem 13. Jahrhundert.

Somit wurde Diepensee zweimal gegründet und wieder aufgegeben. Mit dem Umzug vor fünf Jahren soll es nun seine endgültige Heimat gefunden haben.

Patricia Driese

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })