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Vorerst nutzlos. Überflutete Ackerflächen bei Belgern in der Nähe von Mühlberg (Elbe-Elster). Wie lange die Felder nicht genutzt werden können, ist noch nicht abzusehen.

© dpa

Brandenburg: Abgerechnet wird nach der Flut

Trotzdem das Hochwasser in Brandenburg vergleichsweise glimpflich verlief, verzeichnen Bauern und Tourismusanbieter empfindliche Ausfälle – selbst Reisen im Spätsommer werden storniert

Von Matthias Matern

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Potsdam - In Brandenburg ist die ganz große Hochwasser-Katastrophe ausgeblieben. Doch vor allem für die Landwirte und Hoteliers ist der Schrecken noch nicht vorbei. Während viele Bauern an Elbe und Schwarzer Elster derzeit eine erste Schadensbilanz aufmachen und um ausreichende Entschädigung bangen, hagelt es bei Hotel- und Pensionsbetreibern in den vom Hochwasser betroffenen Regionen Stornierungen. Im Spreewald warten viele Fährmänner sehnsüchtig auf die Aufhebung des Kahnfahrverbotes. Wegen der nicht ungfährlichen Strömung in den Fließen aufgrund des Hochwassers wurden die Wasserwege in den Landkreisen Dahme-Spreewald, Spree-Neiße und Oberspreewald-Lausitz gesperrt. Der wirtschaftliche Schaden beim Spreewald-Tourismus durch die Sperrung wird auf bis zu 300 000 Euro geschätzt.

„Wann das Verbot aufgehoben werden soll, wissen wir auch nicht. Ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Alles steht still“, sagt Steffen Franke, Vorstandsvorsitzender der Kahnfährgenossenschaft und Sprecher der Lübbenauer Fährleute. Das erste Sommerwochenende wäre bestimmt gut gewesen, das Wetter war ja toll, schätzt der 40-Jährige. „Da hätten sich bestimmt 10 000 Menschen im Spreewald vergügen können.“ Doch der finanzielle Verlust sei ja nur die eine Seite, der Imageschaden komme noch dazu. „Die 10 000 Menschen, die vielleicht umsonst gekommen sind, fahren nach hause und erzählen das ihren Verwandten und Kollegen.“ Allein in Lübbenau sind laut Franke 300 Kahnfährleute vom Stakverbot betroffen, im gesamten Spreewald sind es 650. „Wir bangen und hoffen, dass zum Wochenende wieder alles frei ist.“ Viel Hoffnung kann Achim Wersin, Sprecher im brandenburgischen Umweltministerium, den Fährleuten allerdings nicht machen. „Das ist momentan nicht abzusehen. Das wird jeden Tag neu entschieden.“

Ungewiss ist auch die Zukunft im Havelland. Zwar hatte Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) am Donnerstag angekündigt, der Bund habe Vertreter der Länder eingeladen, um über eine Bund-Länder-Vereinbarung zum Ausgleich landwirtschaftlicher Schäden zu reden. Doch Gerhard Stackebrandt, Vorstandsmitglied der Agrargenossenschaft Hohennauen ist skeptisch. „Allein, mir fehlt der Glaube.“ Bis zu 40 Zentimeter hoch stehe das Wasser an einigen Stellen in den sogenannten Havelpoldern. Am vergangenen Wochenende wurden die Rückstauflächen östlich von Hevelberg wie berichtet zum Schutz von Wittenberge geflutet. „Aus Solidarität“, wie Stackebrandt betont. Insgesamt 50 Millionen Kubikmeter Wasser liefen in die Polder. Auch die Hälfte der Futterweiden und Äcker, die Stackebrandt in den Poldern besitzt, stehen unter Wasser. „Das Weidevieh haben wir noch rechtzeitig weggebracht, das Getreide vorsichtshalber runtergenommen und geheckselt“, berichtet der Landwirt und zweite Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Havelland. Insgesamt 1000 Rinder hatten die Landwirte der Region in den Poldern stehen.

Wegen des Ernteausfalls rechnet Gerhard Stackebrandt für seinen eigenen betrieb mit einem Schaden zwischen 400 000 und 500 000 Euro. „Wir hoffen, dass wir kein Futtermittel zukaufen müssen.“ Trotz der Einbußen hält der 64-jährige Bauer die Flutung der Polder für alternativlos. „Das Wasser muss ja irgendwo hin. Der Fluss braucht Raum“, meint der Landwirt. Während Stackebrandt den Behörden in seiner Region ein gutes Zeugnis beim Krisenmanagement ausstellt, hält Günter Barth, Vorstandsmitglied im Kreisbauernverband Elbe-Elster, die Organisation des Hochwasser-Einsatzes rund um Mühlberg vorsichtig gesprochen für verbesserungsbedürftig. „Schief ging, dass aus Geldmangel lediglich an der Elbe Katastrophenalarm ausgelöst wurde , aber nicht an der Schwarzen Elster, obwohl dort auch Alamrstufe 4 galt“, behauptet der Bauer. Hier und dort habe es außerdem beim Nachschub mit Sandsäcken geklemmt. In Liebenwerda lief es noch relativ gut, an anderer Stelle ließ einiges zu wünschen übrig“, kritisiert Barth.

Landesweit sind laut Agrarministerium etwa 35 000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche betroffen. Besonders hat es einige Bauern im Elbe-Elster-Kreis getroffen, meint Barth. „Bei einem Rinderzüchter sind alle Flächen überflutet. Der musste schon einige Tiere zum Schlachter bringen, weil er kein Futter mehr hat“, berichtet Barth. „Wann der wieder auf seine Flächen kann, ist derzeit nicht abzuschätzen. Es kann durchaus sein, dass der dieses Jahr nicht einen einzigen Halm mehr ernten kann.“ Seinen eigenen Schaden beziffert Barth mit 60- bis 70 000 Euro. „120 Hektar stehen unter Wasser“, sagt der Bauer. Ob er mit ausreichend Entschädigung rechnet? „Wenn, dann ist das bloß wieder ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Für die Hotelbetreiber in den Hochwassergebieten ist es wohl noch viel zu früh, um den Schaden zu kalkulieren. Doch was bei vielen täglich an Stornierungen eintrudelt, lässt Schlimmes ahnen. Sogar Buchungen für den Spätsommer würden teils rückgängig gemacht, berichtet Olaf Lücke, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Brandenburg (Dehoga). „So dramatisch wie die Bilder sind, die auch die Betroffenheit der Hoteliers und Gastronomen zeigen, umso mehr müssen wir alles daran setzen, Touristen klarzumachen, dass man wieder nach Brandenburg kommen kann, wenn der Scheitel sinkt“, so Dehoga-Chef

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