INTERVIEW: „Absoluter psychischer Ausnahmezustand“
Warum greifen Frauen mit Kindern wie im aktuellen Fall zu solch drastischen Mitteln, also erweiterten Suizid?Oftmals kann man wie auch bei der Mutter, die sich und ihre drei Kinder bei Schönefeld verbrannt hat, davon ausgehen, das diese Frauen psychisch krank sind, dass sich dabei das eigene Erleben so stark verändert hat, dass die Wahrnehmung der aktuellen Lebensituation nicht mehr adäquat ist.
Stand:
Warum greifen Frauen mit Kindern wie im aktuellen Fall zu solch drastischen Mitteln, also erweiterten Suizid?
Oftmals kann man wie auch bei der Mutter, die sich und ihre drei Kinder bei Schönefeld verbrannt hat, davon ausgehen, das diese Frauen psychisch krank sind, dass sich dabei das eigene Erleben so stark verändert hat, dass die Wahrnehmung der aktuellen Lebensituation nicht mehr adäquat ist. Häufig kommt es bei diesen Fällen zu einem Insuffizienzerleben, zu dem Gefühl, nichts mehr wert zu sein und nichts mehr leisten zu können aber auch Schuld- und Schamgefühle belasten die Betroffenen. Dann können zum Beispiel Befürchtungen entstehen, dass die Familie verarmt und der einzige Ausweg scheint, sich das Leben zu nehmen.
Aber wie schafft es eine Mutter, ihre eigenen Kinder auf eine derart brutale Art zu töten?
Das ist schwer nachzuvollziehen, aber in der Regel sind das schwer kranke Frauen. Sie glauben, der Situation nicht mehr gewachsen zu sein. Diese Wahrnehmung engt sich soweit ein, dass Betroffene keinen anderen Ausweg sehen, um ihren Kindern beispielsweise die befürchtete Situation zu ersparen. Diese Handlung zu vollziehen zeigt, wie schwer das Erleben verändert ist, in welchem absoluten Ausnahmezustand sie sich psychisch befinden.
Welche Krankheiten sind das?
Es geht um psychische Erkrankungen, häufig sind Betroffene schwer depressiv, aber auch andere seelische Erkrankungen wie Schizophrenie können der Hintergrund sein. Das heißt jedoch nicht, dass jeder Betroffene mit einer psychischen Erkrankung solche Handlungen vollziehen kann. Solche Ereignisse sind insgesamt selten.
Im aktuellen Fall war offenbar eine Trennung der Hintergrund der Tat ...
In der Regel ist es nicht die Trennung allein, da ist meist schon im Vorfeld einiges passiert. Dann kann es zu einem Ereignis kommen, welches das Fass überlaufen lässt.
Aktuellen Statistiken zufolgen sinkt die Zahl der Suizide. In der Regel sind es doch vor allem Männer, die zu härteren Methoden greifen.
Das ist in der Tat so, aber auch Frauen tun das, die Statistik beschreibt eben nicht den Einzelfall. Grundsätzlich ist es aber richtig, dass die Suizidrate unter den älteren Männern am höchsten ist, auch deshalb weil sie eher zu sogenannten härteren Methoden greifen. Wichtig ist deshalb die suizidpräventive Arbeit, zu der das Erkennen und rechtzeitige Behandeln psychischer Erkrankungen gehört.
Fragen: Alexander Fröhlich
Dr. Ute Lewitzka, Oberärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am Uniklinikum Carl Gustav Carus Dresden, ist Beisitzerin in der Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention.
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