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Crash. Retter bergen die Passagiere und den getöteten Piloten aus dem Wrack.

© dpa

Brandenburg: Absturz mit Ansage

Experten haben das Helikopterunglück am Maifeld untersucht. Ihr Urteil über die Flugverfahren der Bundespolizei ist vernichtend

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Berlin - Erhebliche Mängel bei den damals üblichen Flugverfahren der Bundespolizei und eine unzureichende Kommunikation zwischen den Besatzungen haben vor anderthalb Jahren zur Hubschrauberkatastrophe auf dem Maifeld geführt. Zu diesem ernüchternden Fazit kommt der jetzt veröffentlichte Abschlussbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung. Bei der Kollision zweier Helikopter in einer von ihnen selbst aufgewirbelten Schneewolke waren ein Pilot getötet und neun Personen teils schwer verletzt worden. Bei dem Todesopfer hatte es sich um einen fünffachen Vater aus Brandenburg gehandelt.

Der Unfall erregte auch großes Aufsehen, weil er sich vor den laufenden Kameras von Fernsehteams abspielte. Eine Journalistin durfte sogar in einem der Hubschrauber mitfliegen. Am 21. März 2013 wollte die Bundespolizei in einer groß angelegten Übung den Einsatz gegen Hooligans am S-Bahnhof Olympiastadion trainieren. Dazu sollten auch 34 Beamte in Schutzkleidung mit drei Helikoptern eingeflogen werden. Als Landeplatzmarkierung hatte man auf dem Maifeld drei Polizeibusse mit eingeschaltetem Blaulicht geparkt und 15 Meter davor einen Einweiser mit gelber Warnweste postiert.

Die drei Maschinen – zwei Super Puma und ein EC155 – starteten vom Flugplatz der Bundespolizei-Fliegerstaffel in Blumberg östlich Berlins. Sie mussten dann noch zwei Runden um das Olympiastadion fliegen, bis einige hochrangige Polizeivertreter als Beobachter der Übung eingetroffen waren. Bereits der Pilot des ersten landenden Hubschraubers, des EC155, äußerte sich erstaunt über die aufgewirbelten Schneewolken. Man hatte mit matschigem Schnee gerechnet, der am Boden haftet. Auch der anschließend rechts daneben aufsetzende Super Puma verschwand in einer Schneewolke.

Der zweite Super-Puma flog dann von links an und wirbelte so viel Schnee auf, dass der Pilot den Sichtkontakt zum Einweiser verlor. Dieser wurde vom Rotorwind des zwei Meter vor ihm anfliegenden Hubschraubers umgeweht. Statt durchzustarten, setzte der 53-jährige Pilot die Landung fort. Die Maschine rutschte beim Aufsetzen nach rechts, kollidierte mit dem EC155 und kippte auf die rechte Seite. Dabei wurden die Rotorblätter beider Helikopter zerstört, das Heck des Super Puma abgerissen und das Dach mit dem Getriebe in die Kabine des EC155 gedrückt. Dessen 40 Jahre alter Pilot wurde von einem Rotorblattstück getötet, das die Cockpitscheiben durchschlug. Zwei Passagiere und zwei außenstehende Personen wurden durch umherfliegende Wrackteile schwer, fünf leicht verletzt.

Bei der Auswertung der Ereignisse kam die BFU zu einem vernichtenden Urteil. Das gewählte Verfahren für Schneelandungen entsprach zwar der gängigen Praxis bei der Bundespolizei, ist aus Sicht der Behörde aber „nicht verständlich und unzweckmäßig“. Im Bericht heißt es weiter: „Im Landeanflug mit normalem Sinkwinkel und normaler Geschwindigkeitsverzögerung kommt es zwangsläufig bodennah zu dem Moment, in dem der Hubschrauber von seiner Schneeaufwirbelung durch den Rotorabwind eingehüllt wird.“

Bereits nach der harten Landung eines von ihr betriebenen Rettungshubschraubers am 27. Januar 2012 hatte die Bundespolizei Schneelandungen als „erhöhtes Risiko“ eingestuft. Daraufhin sollte eine ausführliche Beschreibung des Winterflugbetriebes ins Ausbildungs- und Flugbetriebshandbuch aufgenommen werden. Außerdem wurde beschlossen, Trainingsmethoden zur Vermeidung der als „Whiteout“ gefürchteten Schneewolken zu entwickeln und entsprechende Fortbildungen abzuhalten. All das wurde aber erst zum Winter 2013/14 umgesetzt, Monate nach der Katastrophe am Olympiastadion.

Auch der durch die Polizeibusse markierte vorgegebene Abstand zwischen den landenden Maschinen wird als „sehr gering“ bemängelt. Ferner kritisiert die BFU die unzulängliche Kommunikation zwischen den Besatzungen. „Im Wesentlichen machte jedes Besatzungsmitglied das, was es im Rahmen seiner Funktion im Cockpit im jeweiligen Moment als nötig und richtig ansah, ohne vorher den anderen zu informieren“, heißt es. So gab es weder ein Anflug-Briefing mit einem Hinweis auf die bekannte Gefahr einer aufwirbelnden Schneewolke noch einen Plan für den Fall eines notwendigen Durchstartens.

Als Fazit bemängelt die BFU, dass der Betrieb von Polizeihubschraubern laut EU-Verordnung nicht der Aufsicht der Luftfahrtbehörden untersteht und damit nicht an luftrechtliche Vorschriften gebunden ist. Man fordert deshalb ein fachkundiges, unabhängiges Kontrollgremium. Bereits 2006 hatte man dem Verkehrsministerium empfohlen, luftrechtliche Regelungen für den Betrieb von Polizeihubschrauberstaffeln zu schaffen, „die den besonderen Anforderungen polizeilicher Einsätze gerecht werden und ein Sicherheitsniveau garantieren, das dem für den gewerblichen Einsatz ziviler Hubschrauber vergleichbar ist“. Geschehen ist bisher nichts. Rainer W. During

Rainer W. During

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