Von Thorsten Metzner: Affären-Rücktritte zwingen SPD zur Turbo-Erneuerung Personaldecke der Sozialdemokraten ist dünn: Neuerdings versucht man dagegen etwas zu tun
Potsdam - Die Telefone standen nicht still, als Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Mittwochabend dem BBI-Jahresempfang fern blieb, um die Nachfolge für Bildungsminister Holger Rupprecht einzufädeln: Seine Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) erfuhr von ihrem neuen Job, als sie gerade die Präsidenten der Hochschulen auf Millionen-Kürzungen vorbereitete. Die darf nun Sabine Kunst, bisher Präsidentin der Potsdamer Uni übernehmen.
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Potsdam - Die Telefone standen nicht still, als Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Mittwochabend dem BBI-Jahresempfang fern blieb, um die Nachfolge für Bildungsminister Holger Rupprecht einzufädeln: Seine Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) erfuhr von ihrem neuen Job, als sie gerade die Präsidenten der Hochschulen auf Millionen-Kürzungen vorbereitete. Die darf nun Sabine Kunst, bisher Präsidentin der Potsdamer Uni übernehmen. Er habe sie „aus dem Flugzeug geholt“, bekannte Platzeck gestern. Kunst, auch Präsidentin des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes, wollte gerade nach Kapstadt, sagte nach dem Platzeck-Anruf die Reise ab und dem Regierungschef zu. Auf den Mund gefallen ist die als durchsetzungsstark geltende Uni-Managerin nicht, die von Hause aus „Wasserwirtschaftlerin“ sei, wie sie gestern sagte und trocken hinzu fügte: „Und das Wasser steht ja hoch.“
Wohl wahr, tatsächlich war die Not für Platzeck groß, diesmal eine solide, überzeugende Lösung zu finden, nachdem von seinen im Herbst 2009 ernannten fünf SPD-Ressortchefs nur noch Wissenschaftsminister Martina Münch und Sozialminister Günter Baaske übrig sind. Jörg Vogelsänger hatte später das Infrastrukturministerium übernommen, als die „Superministerin“ Jutta Lieske aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat. Auf Ex-Innenminister Rainer Speer folgte jüngst der frühere Agrarminister Dietmar Woidke, der inzwischen Fraktionschef im Landtag war und seinen neuen Job, wie über die rot-roten Reihen hinaus anerkannt wird, „bemerkenswert gut macht.“ Und nun fiel auch noch Schulminister Holger Rupprecht aus. Das Stühlerücken wirft jedes Mal – auch diesmal – ein Licht darauf, wie dünn die Personaldecke der brandenburgischen SPD eigentlich ist. Sie leidet an Auszehrungstendenzen, an einerseits lange versäumter Nachwuchsförderung, anderseits am zu frühen Verbrennen junger Talente.
Nach dem inneren SPD-Führungsgefüge wäre diesmal Vizeparteichefin und Bildungsexpertin Klara Geywitz quasi „natürlich“ neue Bildungsministerin geworden, wenn sie nicht mit Zwillingen hochschwanger wäre. Schon im Herbst hatte die 34-Jährige, die eher auf eine langfristige beständige politische Karriere setzt, einen Ministerjob ausgeschlagen, wurde parlamentarische Geschäftsführerin. Platzeck steht in der eigenen Partei unter Druck, die „Männerwirtschaft“ bei der Postenverteilung zu beenden, andererseits gibt es wenig starke Frauen. Aus der Fraktion wäre vielleicht noch Vize-Fraktionschefin Susanne Melior in Frage gekommen, die aber bereits die Enquete-Kommission zur SED-Diktatur leitet, „und auch das wäre mit Risiken verbunden gewesen“, heißt es. „Und ein Risiko konnte Platzeck nicht eingehen. Nach der Vorgeschichte bleibt den Neuen keine Schonzeit.“ Schon deshalb kam auch das „Modell Rupprecht“, also eine verwaltungsunerfahrene Seiteneinsteigerin nicht in Frage. Kunst, parteilos, hat Führungserfahrung.
Es fällt auf, dass Brandenburgs SPD nach dem Ende des Machtduos Platzeck/Speer in Bewegung gerät. Jüngere Politiker außerhalb der bisherigen Machtzirkel bekommen Profilierungschancen: Sören Kosanke,32, Kreischef in Potsdam-Mittelmark, leitet den Untersuchungsausschuss zur Immobilien-Affäre. Potsdams SPD- Chef Mike Schubert, 37, soll federführend das Leitbild „Brandenburg 2030“ entwickeln. Schubert und Kosanke waren es, die nach der von Platzeck für tot erklärten Länderfusion die Debatte neu entfacht hatten. Und damit in ein paar Jahren die Ministerauswahl für Platzeck – oder seinen Nachfolger/seine Nachfolgerin – leichter fällt, gibt es neuerdings ein Trainee-Programm für Genossen-Nachwuchs.
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