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Je größer, desto besser? In Brüssel werden die Lobbyisten der Agrarindustrie und ihre Unterstützer vor allem aus der ostdeutschen Landwirtschaft vorstellig, wo die alten sozialistischen Großstrukturen noch immer bestimmend sind.

© dapd

Brandenburg: Agrarindustrie ist sauer auf Brüssel

EU-Kommission will mit Reformpaket ab 2014 kleinere Bauernhöfe stärken. Großen LPG-Nachfolgebetrieben droht Deckelung der Direktzahlungen

Von Matthias Matern

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Brüssel/Potsdam - Angesichts der neuen Pläne aus Brüssel zittern der brandenburgischen Agrarindustrie die Knie. Am Dienstag legte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos in Brüssel seine Vorschläge für eine europäische Agrarreform ab 2014 vor. Demnach würden die flächenstarken Landwirtschaftsbetriebe in Ostdeutschland und damit auch im Land Brandenburg künftig deutlich weniger Geld aus Brüssel erhalten. Zudem sollen nur solche Unternehmen die volle Direktzahlung erhalten, die entweder sieben Prozent ihrer Agrarflächen für Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen vorhalten, oder aber wenigstens drei unterschiedliche Pflanzenkulturen anbauen, ohne dafür jeweils mehr als 70 Prozent der Fläche zu beanspruchen. Brandenburgs Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) bezeichnete die Pläne gestern als „eine gravierende Benachteiligung der ostdeutschen Agrarstruktur“. Auch Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) meldete Veränderungsbedarf an.

Auf Kritik stößt bei Vogelsänger und Aigner vor allem der Vorschlag, die Höhe der künftigen Direktzahlungen ab einer bestimmten Betriebsgröße zu kappen und zudem an die Zahl der Mitarbeiter zu koppeln. Nach Ciolos Vorstellungen sollten Betriebe künftig maximal 300 000 Euro erhalten können. „Wir wollen über die Förderung die gesellschaftlichen Leistungen für den Natur- und Umweltschutz, den Klimaschutz oder die Landschaftspflege honorieren, die von den Bauern unabhängig von der Betriebsgröße auf allen Flächen erbracht werden“, sagte Aigner gestern. Der Entwurf enthalte zwar „viele richtige Weichenstellungen“, so Vogelsänger, allerdings wolle er „weiter dafür kämpfen, dass der Vorschlag, betriebsbezogene Obergrenzen für Direktzahlungen einzuführen, wieder zurückgenommen wird.“

Mit dem Reformpapier will die EU die Landwirte nicht nur zum umweltfreundlicheren Wirtschaften zwingen, sondern auch kleinere Agrarbetriebe stärken. Vor allem für die vielen ostdeutschen Nachfolgebetriebe ehemaliger Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG) ist das eine Kampfansage. Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg zufolge bewirtschaften im Land Brandenburg gerade einmal 6,4 Prozent aller im Land ansässigen Betriebe mehr als 45 Prozent der vorhandenen Agrarfläche. Entsprechend gereizt reagierten gestern die Funktionäre der brandenburgischen Agrarindustrie-Lobby. „Es entsteht der Eindruck, dass hiesige Agrarstrukturen politisch von der Kommission nicht gewollt sind“, teilte der Landesbauernverband Brandenburg in einer Stellungnahme mit. „Gerade die flächenstarken Unternehmen, die einen Großteil der Wirtschaftskraft im ländlichen Raum leisten und für die Beschäftigung maßgeblich sind, hätten unter einer Kappung oder Degression zu leiden.“

Dem Bauernbund Brandenburg, der mehrheitlich familiär geführte Landwirtschaftsbetriebe vertritt, geht der Vorschlag nicht weit genug. Es gehe nicht darum, Großbetriebe zu schwächen, sondern die subventionierte Landnahme von Investoren zu stoppen, die sich mit ihrem Fremdkapital in Agrargesellschaften einkaufen und im großen Stil Flächen erwerben. Die Kappung sei ohne eine Kopplung an die Eigentumsverhältnisse ein „zahnloser Papiertiger“, kritisierte Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung. Bemessungsgrundlage müsste sein, ob sich ein Betrieb im Besitz ortsansässiger Landwirte befinde. Einig sind sich Bauernbund und Bauernverband in ihrer Ablehnung der Umweltauflagen. Diese würden nur zu mehr Bürokratie und zu einer erzwungenen Stilllegung guter Böden führen.

Die brandenburgische Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm (Bündnis 90/Die Grünen) hält die als „Greening“ bezeichneten Kriterien sogar für nicht ausreichend. Maximal 70 Prozent Anbaufläche für eine Fruchtart sei noch zu viel. „Die Subventionierung von Monokulturen ist kein Greening. Damit können wir die weitere Vermaisung unserer Landschaft nicht stoppen. Hier fordern wir einen maximalen Anteil von 50 Prozent“, so Behm.

CDU und FDP im brandenburgischen Landtag bewerteten die Brüsseler Vorlage unterschiedlich. Während der agrarpolitische Sprecher und stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Dieter Dombrowski die Kappung begrüßte, die Umweltauflagen aber als eine „faktische Flächenstilllegung“ kritisierte, lehnte der Agrar-Experte der FDP-Fraktion Gregor Beyer beides ab. Durch die Deckelung würden „unternehmerisch effiziente Betriebe benachteiligt“, durch die Ausweisung von sieben Prozent ökologischer Vorrangfläche dagegen werde die „Flächenkonkurrenz erhöht“, sagte Beyer.

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