Von Sabine Beikler: Alice Schwarzer fordert RTL-Gewinn zurück
Verein Hatun und Can bekam 500 000 Euro Jetzt ermittelt die Anklage wegen Betrugsverdacht
Stand:
Berlin - Im September war Frauenrechtlerin und „Emma“-Chefredakteurin Alice Schwarzer noch Glücksfee bei einer Jubiläumssendung von „Wer wird Millionär“. 500 000 Euro spendete sie damals dem Verein „Hatun und Can Frauennothilfe“. Von dieser Solidarität ist nichts mehr übrig geblieben. Vergeblich forderte Alice Schwarzer vor drei Monaten die Hälfte des Spendenbetrages zurück. Gegen den Verein laufen nach polizeilichen Durchsuchungen von Wohnungen im Dezember staatsanwaltliche Ermittlungen wegen Verdachts des Betruges, wie ein Sprecher gegenüber dieser Zeitung bestätigte. Auch die Kriseneinrichtung Papatya für junge Migrantinnen hat sich inzwischen von „Hatun und Can“ distanziert.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft basieren auf Strafanzeigen, die von Alice Schwarzer, der Autorin und Frauenrechtlerin Necla Kelek und von RTL erstattet wurden. Nach der Jauch-Sendung hat Alice Schwarzer offenbar wissen wollen, wie das Geld verwendet werde. „Ich begann unruhig zu werden, denn eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass sich von den angeblich zahlreichen aktiven Mitgliedern von Hatun und Can, von denen immer die Rede ist, etliche melden würden“, sagt Schwarzer.
Sie schloss sich mit Necla Kelek, die damals noch Vereinsmitglied von „Hatun und Can“ war, zusammen und verabredete ein Treffen mit dem Vereinsgründer Udo D. alias Andreas Becker, wie er sich nennt. Das Gespräch sei sehr „irritierend“ verlaufen, wie sich auch Necla Kelek erinnert. Man habe wenig konkrete Antworten auf Fragen erhalten. Daraufhin schlug Alice Schwarzer eine Teilung der Spende vor, „Herr Becker hat zugestimmt“, sagen beide Frauen.
Andreas Becker wiederum verneint das entschieden. „Für so einen Beschluss hätten wir eine Mitgliederversammlung einberufen müssen“, sagt er. „Ein unglaublicher Vorgang, ein Skandal“ sei das alles, denn einen Monat später habe er von der Anzeige gegen ihn und zwei weitere Vereinsmitglieder erfahren.
Die Konten des Vereins seien inzwischen bis auf eine bestimmte Summe eingefroren und auch der große Jeep, den der Verein für den Transport von Frauen in Not gekauft hatte, sei beschlagnahmt. Dass das gebrauchte Allrad-Fahrzeug nach Informationen dieser Zeitung immerhin 60 000 Euro gekostet habe, bestätigt Becker.
Er sieht keinerlei Anhaltspunkte für Straftaten, weist jeglichen Verdacht entschieden von sich, sondern vermutet hinter den Vorwürfen „Intrigen“, die möglicherweise aufgrund des „großen Bekanntheitsgrades“ des Vereins initiiert worden seien. Einige hundert Anfragen pro Jahr habe der 2006 gegründete Verein von Frauen und Mädchen in Not. Rund 25 Frauen habe man 2009 geholfen, sie in der Regel von Städten in Westdeutschland nach Berlin gebracht und ihnen eine Wohnung besorgt. „Wir sind eine ehrenamtlich arbeitende Hilfsorganisation“, betont Becker. Zwölf Vollmitglieder hat der Verein; hinzu kommen zehn bis zwölf zahlende Mitglieder.
Papatya, die seit 26 Jahren bestehende Schutzeinrichtung, kritisiert wiederum, dass Hatun und Can „sehr unprofessionell“ beraten würden und Frauen daran gehindert hätten, sich an Papatya zu wenden. „Das haben uns Frauen eindeutig gesagt“, sagt die Papatya-Leiterin. Das streitet Becker vehement ab und verweist darauf, dass die Gespräche dokumentiert worden seien. Es steht Aussage gegen Aussage.
Dass der Verein keine Büroräume hat und „nicht sehr transparent“ arbeitet, erzählen auch zahlende Mitglieder, die nicht genannt werden möchten. Dass der Verein, der nach dem Mord an Hatun Sürücü gegründet wurde, im Verborgenen arbeiten müsse, sei verständlich. Aber man möchte doch genauer wissen, wie die Spenden verwendet werden. Der Sender RTL lehnt mit Verweis auf das „laufende Verfahren“ eine Stellungnahme ab. Ob Spenden generell zurückgefordert werden können, wird juristisch im Einzelfall bewertet. Es gilt, dass „geschenkt auch geschenkt“ ist, Rückforderungsrechte können sich daraus dennoch ableiten.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: