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Weggemobbt. Anwälte Anja Sturm mit ihrer Mandantin Beate Zschäpe im Gerichtssaal in München.

© Tobias Hase

Brandenburg: Allein unter Anwälten

Anja Sturm vertritt im NSU-Prozess Beate Zschäpe. Nun verlässt die Anwältin Berlin – „sehr enttäuscht“

Von Frank Jansen

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Berlin - Sie geht nicht im Zorn, sagt sie, aber sie sei „sehr enttäuscht gewesen“. Die Anwältin Anja Sturm, weithin bekannt als Verteidigerin von Beate Zschäpe, verlässt ihre Berliner Kanzlei – und die Stadt. Ohne es gewollt zu haben, aber sie mochte keinen Konflikt. Denn in der Kanzlei Weimann & Meyer wachse die Sorge um den Ruf bei Mandanten mit türkischen Wurzeln, sagt die Fachanwältin für Strafrecht. Es gelte als problematisch, dass sie die Hauptangeklagte im NSU-Prozess verteidigt, Beate Zschäpe. Jener Frau, der die Bundesanwaltschaft vorwirft, aus rechtsextremen Motiven bei zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen Mittäterin gewesen zu sein. Acht Mordopfer waren türkischer Abstammung.

Als Sturm das Rumoren mitbekam, war sie „geschockt“. Sie, die hartnäckig für einen liberalen Rechtsstaat eintritt, die für Neonazis nicht die geringsten Sympathien hegt und Zschäpe vertritt, „weil jeder Angeklagte ein Grundrecht auf Verteidigung hat“ – fühlte sich alleingelassen.

Sturm bedeutet Berlin viel. Hier sei sie als Strafverteidigerin „aufgewachsen“. 2004 ließ sie sich in München nieder. Im Januar 2012 kam sie nach Berlin zurück und ging zu Weimann & Meyer. Im August nun wechselt die 43 Jahre alte, eher leise Frau nach Köln. Sie wird Partnerin von Wolfgang Heer, der als erster Anwalt die Verteidigung Zschäpes übernahm. Heer holte dann den Koblenzer Kollegen Wolfgang Stahl hinzu und gewann im August 2012 Anja Sturm für die Aufgabe, im größten Prozess zu rechtsextremem Terror seit der Vereinigung die Hauptangeklagte zu vertreten. Doch was Sturm seitdem in Berlin erlebt hat, ist ernüchternd.

Im Januar trat die Anwältin bei den Wahlen zum Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger an. Sturm fiel durch. Vor allem linke Anwälte hatten ihr verübelt, eine Rechtsextremistin zu verteidigen. „Dabei gibt es gerade im NSU-Verfahren so viele Themen, bei denen Berliner Strafverteidiger immer gekämpft haben“, sagt Sturm. „V-Mann-Problematik und fragwürdige Vernehmungsmethoden der Polizei“ seien Beispiele dafür, „dass in diesem Prozess vieles zu hinterfragen ist“.

Erst vergangene Woche haben Sturm, Heer und weitere Verteidiger einen BKA- Mann in Bedrängnis gebracht, der als Zeuge vor dem Oberlandesgericht aussagte. Der Beamte musste zugeben, dass der Angeklagte Holger G. im Ermittlungsverfahren bei einigen brisanten Angaben nicht weiterbefragt wurde.

Nachdem Sturm sich mit Axel Weimann geeinigt hatte, dessen Sozietät zu verlassen, suchte sie zunächst in Berlin nach einer anderen Kanzlei, um nicht wieder ihrem Mann und den zwei Kindern einen Umzug zuzumuten. Ohne Erfolg. Ein Kollege habe ihr gesagt, die Verteidigung Zschäpes sei für eine Kanzlei „ein Killermandat“, sagt Sturm. Schließlich fragte Wolfgang Heer, der die Probleme mitbekommen hatte, ob Sturm sich nicht mit ihm in Köln zusammentun wolle. Das Angebot fand Sturm reizvoll und nahm es an.

Mit Heer, sagt Sturm, befinde sie sich „juristisch und menschlich auf einer Wellenlänge“. Mit ihm ist sie einer Meinung, dass der NSU-Prozess „gerade angesichts der Ungeheuerlichkeit der im Raum stehenden Vorwürfe besonders fair und rechtsstaatlich geführt werden muss“. Heer sagt, er wolle mit Sturm langfristig zusammenarbeiten. Sturm kann sich das gut vorstellen. Sie hat Berlin abgehakt.

Der Kanzlei Weimann & Meyer fällt eine Stellungnahme nicht leicht. Er habe Anja Sturm von der Übernahme des Zschäpe-Mandats „aus mehreren Gründen abgeraten“, sagt Axel Weimann. Er argumentiert zunächst ökonomisch. Anja Sturm sei durch dieses eine Mandat in einem Umfang ausgefüllt, „dass eine Einbindung in von uns betreute Mandate mangels Präsenz nicht sinnvoll erscheint“. Weimann betont auch, es gehe nicht um den Ruf bei türkisch-stämmigen Mandanten. Doch dann folgt ein Satz, der offenbart, unter welchen Druck er durch Sturms Einsatz als Verteidigerin von Beate Zschäpe geraten ist.

Weimann spricht von der Belastung, „sich sowohl beruflich als auch privat immer wieder für ein Mandat rechtfertigen zu müssen, das man persönlich nicht führt und das man vor allen Dingen selbst niemals angenommen hätte“. Warum für ihn, den renommierten Strafrechtler, der unter anderem in den Prozessen gegen einstige Mauerschützen des SED-Regimes auftrat, eine Verteidigung Zschäpes nie infrage gekommen wäre, begründet Weimann nicht. Frank Jansen

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