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Brandenburg: Alles muss raus

Versteigerung im Berliner Tränenpalast: Großes Interesse, viele Gebote, etwas Wehmut

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Berlin - Die große Zeit des Trauerns scheint vorbei: Bei der Insolvenzversteigerung des kompletten Inventars des Berliner Tränenpalastes herrschte jedenfalls eher geschäftsmäßige Gelassenheit vor. Rund 300 Menschen waren gekommen, um bei dem Ausweiden der Kulturstätte dabei zu sein. Einer von ihnen ist Jan Berge. Der 32-Jährige will einfach mal schauen, was es so gibt: „Vielleicht kann ich ja ein Schnäppchen machen“, sagt er bevor es losgeht. Junge Menschen mit aufgestellten Polohemdkragen sitzen neben graugesichtigen Anzugträgern und Touristen in Flip Flops. Punkt 13 Uhr eröffnet der Auktionator Holger Haun die Versteigerung. Erstes Objekt: fünf Polizei-Absperrgitter. „Das Startgebot liegt bei zehn Euro“, sagt Haun und schon zeigen die Ersten Bieterkärtchen in die Luft. „60 zum Ersten, zum Zweiten, 80 Euro hinten im Gang, 120 oben auf der Tribüne. Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten.“ Eine kurze schnelle Bewegung aus seinem Handgelenk schlägt das Hämmerchen nach unten, und die Absperrgitter sind verkauft.

Der bisherige Betreiber Marcus Herold verfolgt alles konzentriert. „Wie viel will er jetzt dafür?“, fragt er, wenn er das Einstiegsgebot nicht verstanden hat und wendet sich dann wieder dem Geschäftlichen zu. Unterdessen wird der erste fünfstellige Betrag erreicht: 19 000 Euro für die komplette Beschallungsanlage. Ein Raunen geht durch die Reihen. Der Käufer bleibt gelassen: „Der Preis ist okay“, sagt er. Was er damit vorhat, sagt er aber nicht. Etwas offener ist Frank von Wysocki. Er hat die Bühne ersteigert für 2800 Euro. Für ihn schließt sich ein Kreis: „Ich habe die Bühne damals auch an den Tränenpalast verkauft, jetzt kommt sie zurück in unseren Bestand“, sagt von Wysocki, der diese Bühne jetzt für Veranstaltungen verleihen will.

Längst sind Espressomaschinen, Nacho-Spender und Kühltresen über den Tisch gegangen, da ist Auktionator Holger Haun noch immer in Aktion: „500 hier vorne, ich sehe 550 hinten links, bietet jemand mehr?“ Seine Augen lugen über die Lesebrille, wandern nach links, rechts, oben und unten und schließlich hat er tatsächlich das gesamte Innenleben des Tränenpalastes verhökert. „Wir haben ein sehr gutes Ergebnis erreicht“, sagt Haun am Ende. „Ich hätte zum Beispiel nicht gedacht, dass sich tatsächlich jemand findet, für die Tribüne aus den Zeiten des DDR-Fernsehens“ grinst Haun. Tatsächlich, auch die ging weg. Für 700 Euro.Michael Lünstroth

Michael Lünstroth

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