Brandenburg: An den Säulen der Macht gestoßen
Ein Anwalt, den die Senatskanzlei bezahlt, berät den Abgeordneten Michael Müller. Die CDU ist alarmiert
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Berlin - Jetzt wird der Ton richtig rau. Der CDU-Generalsekretär Kai Wegner wirft dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor, sich den Rechtsanwalt Christian Schertz „für eine private Angelegenheit von der Senatskanzlei bezahlen“ zu lassen. Dies sollte rechtlich überprüft werden, „um den Vorwurf der Untreue nicht im Raume stehen zu lassen“. Es gehe um den Umgang mit Steuergeldern. Müller sollte im eigenen Interesse schnell für Klarheit und Transparenz sorgen, forderte Wegner am Montag.
Der Grund für diesen Angriff auf den sozialdemokratischen Regierungschef ist ein Rechtsstreit zwischen dem Regierungschef und der „BZ“. Die Zeitung hatte im Juli 2015 das Abgeordnetenhaus zu Müllers Wahlkreisbüro in Tempelhof befragt, das in den Räumen der Druckerei des Vaters untergebracht ist. Es wurde um Einsicht in den Mietvertrag gebeten, offenbar um die Frage zu klären, ob das kleine Ladengeschäft möglicherweise mit staatlichen Zuschüssen für Wahlkreisbüros, die jedem Abgeordneten zustehen, subventioniert worden sei.
Einen Tag später zeigte Anwalt Schertz an, dass er den Abgeordneten Müller vertrete, und er warnte die Zeitung vor einer falschen Berichterstattung. Jetzt aber stellte sich heraus, dass nicht der Abgeordnete Müller, sondern die Senatskanzlei den Anwalt beauftragt und die Kosten für diesen presserechtlichen Streit getragen hat. Obwohl in Deutschland, als zentraler Bestandteil des demokratischen Rechtsstaats, die Gewaltenteilung gilt. Legislative (Parlament), Exekutive (Regierung) sowie Judikative (Rechtswesen) sind die drei Säulen der Macht, die sich gegenseitig kontrollieren, auch zusammenarbeiten, aber funktional getrennt sind.
Deshalb sind Abgeordnete „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“, wie es in der Berliner Verfassung heißt. Andererseits sind sie für das, was sie tun, persönlich und politisch verantwortlich. Dazu gehört auch der Umgang mit den Diäten und der Amtsausstattung, die aus der öffentlichen Kasse bezahlt werden.
Michael Müller eröffnete sein Büro Ende Juni 2014 in den Räumen der väterlichen Druckerei. Daran störte sich niemand, aber jetzt steht die Frage im Raum, warum die Senatskanzlei eine Anwaltsrechnung bezahlt, die den Abgeordneten Müller betrifft. Senatssprecherin Daniela Augenstein bestätigte den gesamten Vorgang, sagte aber, dass in diesem Fall eine „Persönlichkeitsverletzung und Reputationsgefährdung der Person und des Amtes des Regierenden Bürgermeisters“ drohte – und verhindert werden musste. Einen Anwalt zu beauftragen, um eine falsche und rechtswidrige Berichterstattung abzuwenden, habe die Fürsorgepflicht geboten. Es gehe nicht um eine private Rechtsangelegenheit, sondern um die Gefahr, dass Amt und Person unmittelbar hätten geschädigt werden können.
Normalerweise müssen Abgeordnete ihre Anwaltskosten aber selbst zahlen. Deshalb sieht nicht nur der Koalitionspartner CDU den Vorgang äußerst kritisch. „Mir ist schleierhaft, warum Abgeordnetenangelegenheiten von Michael Müller mit dem Amt des Regierenden Bürgermeisters vermischt werden“, so die Grünen-Fraktionssprecherin Ramona Pop. Die SPD-Fraktion ließ Fragen dieser Zeitung am Montag unbeantwortet.
Ulrich Zawatka-Gerlach
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