Brandenburg: Angst und Unterstützung
Die Stadt Brandenburg zeigt nach dem Brandanschlag Solidarität mit Flüchtlingen
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Brandenburg/Havel - Mit einem Blumenmeer auf der Bundesgartenschau steht Brandenburg/Havel seit Wochen im Blick der Öffentlichkeit. Der mutmaßliche Brandanschlag auf die Wohnung einer Flüchtlingsfamilie im Stadtteil Hohenstücken trübt das Bild jetzt: Unbekannte hatten am Samstag eine möglicherweise mit Brandbeschleuniger getränkte Zeitung angezündet. Der untere Teil der Wohnungstür ist seither angekokelt. „Meine drei Kinder haben Angst, dass uns jemand etwas tun will“, sagt die aus Inguschetien stammende Hausfrau Madina E. Die 24-Jährige hat den unter der Tür hervorquellenden Rauch bemerkt, ihr Mann Ibragim T. konnte dann das Feuer löschen. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund wird nicht ausgeschlossen. Deshalb ermittelt der Staatsschutz. Bisher gibt es keine Hinweise auf Täter und Motiv.
Eine Nachbarin in einem Nebenaufgang des Plattenbaublocks zeigt sich bedrückt. „Meine Enkelin hat schon des öfteren mit den drei Kindern gespielt. Unvorstellbar, wenn den Menschen etwas passiert wäre. Die Familie lebt dort ja nicht allein“, sagt die ältere Frau. Obwohl sie seit einigen Jahren in direkter Nachbarschaft wohnen, sei ihr gar nicht aufgefallen, dass die Familie aus dem Nordkaukasus stammt.
„Die Familie lebt absolut selbstständig und verfügt sogar über einen kleinen Garten. Wenn das nicht integriert ist, weiß ich es auch nicht“, sagt Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann. Die CDU-Politikerin zeigt sich von dem Vorfall berührt. Brandenburg/Havel kümmere sich intensiv um seine Flüchtlinge. Da bestehe in der Stadt parteiübergreifend Einigkeit. „Wir wollen den Betreuungsschlüssel von 1:120 im Land bei uns auf 1:80 senken.“ Hierfür soll Geld aus dem Stadthaushalt fließen.
Rund 71 000 Einwohner hat Brandenburgs älteste Stadt. Sie setzt Tiemann zufolge auf eine dezentrale Unterbringung ihrer Flüchtlinge, 81 städtische Wohnungen stünden dafür zur Verfügung. Natürlich gebe es auch ein Flüchtlingsheim, das aber als „Durchgangsstation“ diene bis Wohnungen zur Verfügung stehen. „Weil auch zu uns immer mehr Asylbewerber bekommen, werden wir diese Kapazität um 100 auf 380 Plätze aufstocken.“ Ab dem neuen Schuljahr eröffnet in der Stadt eine eigene Grundschulklasse für Flüchtlingskinder.
Natürlich gebe es in der Havelstadt auch rechtsextremistisches Gedankengut, räumt Tiemann ein. Überparteilich herrsche jedoch Einigkeit, sich antidemokratischen Kräften entgegenzustellen. „Wir haben für so etwas einen eigenen Präventionsrat“, sagt die 59-Jährige. So sei es zu Jahresbeginn gelungen, einen breiten Widerstand gegen einen islamfeindlichen Pegida-Ableger zu organisieren. „Nach nur ein paar Veranstaltungen ist ihnen die Luft ausgegangen“, erzählt Tiemann selbstbewusst.
Vielleicht sorge die gestiegene Wirtschaftskraft für ein freundlicheres Klima in der Havelstadt. 2003 lag die Arbeitslosigkeit bei 24 Prozent, heute sind es nur noch 12,5 Prozent. Mittlerweile steige sogar die Einwohnerzahl wieder. Für Familien sei Brandenburg/Havel attraktiv – es sei gut von Berlin mit der Bahn erreichbar und habe erschwingliche Mieten, preist das Stadtoberhaupt den Standort.
Georg-Stefan Russew
Georg-Stefan Russew
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