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Brandenburg: Angst vor Verdrängung

Berlins Stadtentwicklungssenatorin verteidigt Planungen für die Spreeufer gegen Initiative

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Berlin - Drei Tage vor einem für Berlins Stadtentwicklung wegweisenden Bürgerentscheid im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) die umstrittenen Pläne für die Neubauten am Spreeufer verteidigt. Gleichzeitig erteilt sie den Forderungen der Initiative „Mediaspree versenken“, auf die der Entscheid zurückgeht, eine Absage: „Die Ufer auf 50 Meter Tiefe freizuhalten, ist nicht notwendig“, so Junge-Reyer, „wir wollen Wege haben, damit man an die Ufer heran kann, diese müssen breit sein, aber nicht 50 Meter.“

Im Kern geht es bei dem Bürgerentscheid um die Nutzung und Entwicklung der Spreeufer und der angrenzenden Stadträume zwischen Mitte und Treptow. Die Initiative will verhindern, dass Ufer der Spree in Kreuzberg auf der einen und in Friedrichshain auf der anderen Seite komplett bebaut werden – unter anderem mit Hochhäusern. VOn den Planungen betroffen sind unter anderem der Osthafen oder das alte DDR-Postareal neben dem Ostbahnhof.

Neubauten auf eine Höhe von 22 Metern zu beschränken, wie gefordert, hält Junge-Reyer sogar für „falsch“ und mahnt, die Absprachen mit den Investoren einzuhalten: „Wir müssen zuverlässige Partner sein, die an Verträgen nicht rütteln.“ Senat und Bezirk hatten unter anderem mit dem US-Milliardär Phil Anschutz einen städtebaulichen Vertrag geschlossen, der dem Investor zusichert, rund um die fast fertiggestellte O2-World Neubauten mit einer Gesamtfläche von 520 000 Quadratmetern zu errichten – unter anderem in einem Hochhaus. Diese Baumasse ist in Gebäuden, die niedriger als 22 Meter bleiben, nicht unterzubringen.

Am Sonntag stimmen die Wahlberechtigten in Friedrichshain und Kreuzberg über den Bürgerentscheid ab. Gültig ist er, wenn wenigstens 15 Prozent teilnehmen, das sind 27 300 Wähler. Davon muss eine einfache Mehrheit sich für die Forderungen aussprechen. Allerdings hat der Entscheid lediglich appellativen Charakter.

Junge-Reyer will die Meinungsäußerung der Abstimmung respektieren. „Es gibt darüber hinaus aber übergeordnete Interessen für die gesamte Stadt“, sagt sie, „deshalb ist das Bezirksamt nicht verpflichtet, alles getreu den Forderungen umzusetzen.“ Derzeit habe sie jedoch nicht die Absicht, das Verfahren an sich zu ziehen. Der Bezirk habe alles richtig gemacht, gemeinsam habe man ein Leitbild für den Spreeraum entwickelt, das in den vergangenen Jahren zu einer „außergewöhnlich guten Entwicklung“ geführt habe: „An der Spree sind schon 15 000 Arbeitsplätze entstanden.“

Im Gespräch mit dieser Zeitung erklärte die Senatorin weiter, sie könne die Furcht der Gegner vor einer möglichen Verdrängung aus den angrenzenden Kiezen durch die Neubauten und die Entwicklung an der Spree nicht nachvollziehen: „Wenn an der Köpenicker Straße Arbeitsplätze in der Dienstleistungbranche entstehen, wo es bisher nur leere Lagerhallen gibt, ist das positiv für die Entwicklung eines Kiezes. Dadurch werden keine Menschen aus der Wrangelstraße verdrängt.“

Mit ihrem Placet stellt sich die Senatorin den Forderungen ihres eigenen SPD-Kreisverbandes entgegen, der sich gegen die Neubaupläne in der bisherigen Form ausspricht. „Ich habe Verständnis für die Diskussionen innerhalb der SPD und die Haltung, das Spreeufer so weit wie möglich für die Bevölkerung zu öffnen“, so Junge-Reyer, „aber dies ist seit langer, langer Zeit gemeinsames Ziel von Senat und Bezirk.“ Die geplanten Neubauten riegelten das Ufer aber nicht ab, sondern öffneten es für die gesamte Bevölkerung. „Auf den Grundstücken kann man bauen und gleichzeitig das Ufer freihalten“, so Junge-Reyer.

Die Abstimmung am Sonntag ist nicht einfach. Jeder Wahlberechtigte hat drei Stimmen: Zuerst muss über die Forderung der Initiative entschieden werden, danach über den Gegenvorschlag der Bezirksverordnetenversammlung und am Schluss, für den Fall, das beide Varianten eine Mehrheit haben, muss darüber abgestimmt werden, welche von beiden Varianten dem Wähler im Zweifel lieber ist. Weil das Verfahren komplizierter ist als beim Bürgerentscheid über die Rudi- Dutschke-Straße, rechnet das Wahlamt des Bezirks damit, dass die Ergebnisse am Sonntag erst vergleichsweise spät vorliegen werden. Matthias Oloew

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