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Brandenburg: Angst wird Wut

Die Nachricht vom Geständnis eines 16-Jährigen sprach sich im Lupsteiner Weg schnell herum

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Die Nachricht vom Geständnis eines 16-Jährigen sprach sich im Lupsteiner Weg schnell herum Aus Frust? Nichts als Frust? Aylin Richter steigen Tränen in die Augen, sie spuckt die Worte fast heraus. Gerade hat die 26-Jährige einen Strauß Rosen dort abgelegt, wo der siebenjährige Christian am Sonnabend im Gebüsch für immer verschwand. Sonnenblumen liegen vor dem Flatterband der Polizei, Nelken, Kerzen und eine kleine Armee Plüschtiere. Aylin Richter steht mitten in der Sonne, doch die Nachricht von Kens* Geständnis lässt die junge Frau frösteln. Sie schüttelt den Kopf, verschränkt die Arme vor der Brust. „Nur weil er Stress hatte, hat er einem Siebenjährigen den Schädel eingeschlagen.“ Sie ist fassungslos, der Satz klingt wie eine Frage. Dienstagmittag, Lupsteiner Weg. Als sich herumspricht, dass Ken, der 16-jährige Nachbarsjunge, die Tat gestanden hat, ist zu spüren, wie im Kiez die Stimmung kippt. Angst und Misstrauen der vergangenen Tage weichen Wut; auf Ken, auf die Justiz. „Warum musste das erst wieder so eskalieren?“, fragt Anwohner René Meinert. Schließlich sei der ehemalige Hauptschüler der Polizei bereits seit Jahren bekannt. Die Liste, die die Nachbarn auf der Wiese zusammenstellen, ist lang: Graffiti, Laden- und Fahrraddiebstahl, Erpressung der Jüngeren, Körperverletzung „Der Großvater ist mit dem Jungen nicht zurechtgekommen“, sagt Meinert. Es heißt, Ken habe mehrmals jüngeren Kindern aufgelauert, um ihnen ihr Bargeld oder Handy abzunehmen. Mord oder Totschlag? Das haben sie Ken dann doch nicht zugetraut. „Er sieht überhaupt nicht aus wie ein Schlägertyp“, sagt Meinert. Etwa 1,85 Meter groß sei Ken, schlank, kurzes, lockiges Haar, Jeans, Turnschuhe. Am Abend der Tat sei er Ken und dessen Clique „gleich um die Ecke“ noch begegnet. Da habe Ken noch „ganz locker, ganz easy“ behauptet: „Nee, keine Ahnung, wer das gewesen sein könnte.“ Misstrauen machte sich schnell breit rund um den Lupsteiner Weg. Die Nachbarn waren sich fast sicher, dass der Mörder unter ihnen lebte. Weil den kleinen, versteckten Trampelpfad, an dem Christian gefunden wurde, kein Fremder kennen konnte. „Crissie, wir werden dich nie vergessen“, steht in krakeliger Schrift auf einem Zettel zwischen den Blumen am Lupsteiner Weg. Einen Traueraltar haben die Kinder auch in der Süd-Grundschule für ihren toten Freund zusammengetragen, in den Klassen wurde für Christian gesungen und gebetet. Vor der Schule stehen die Väter, Mütter, Großeltern, auch an diesem Dienstag geht hier kein Kind alleine nach Hause. Doch mit der Festnahme des Täters macht sich auf dem Bürgersteig langsam Erleichterung breit. Vorbei ist die Angst vor einem freilaufenden Psychopathen, einem Kinderschänder. „Ich bin sehr froh, dass der Täter gefasst ist“, sagt eine Großmutter. „Morgen darf Alex wahrscheinlich wieder mit dem Fahrrad zur Schule fahren.“ Andere reagieren auf die Nachricht regelrecht geschockt. Ein Jugendlicher? Aus der Nachbarschaft? Eine Mutter sagt, was viele denken: „Das ist das Schlimmste, was passieren konnte.“ (*Name geändert)

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