Brandenburg: Anpfiff zum Lächeln
Touristen und Berliner feierten WM-Eröffnung
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Berlin - Als die Heuballen ins Münchner WM-Stadion gefahren werden, jubeln auch hunderttausende Fans in Berlin: 16.33 Uhr ist es, alle starren auf die Leinwände vor dem Brandenburger Tor, da ertönen laut die Fanfaren und Reggae-Beat. Aus den Heuballen in München springen die Musiker der Berliner Band Seeed – und in ihrer Heimatstadt wird kräftig mitgetanzt. Die WM-Party zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor hat spätestens da begonnen, schon eineinhalb Stunden vor dem Anpfiff des WM-Eröffnungsspiels in München. Unzählige Fußballfans sind schon seit den Morgenstunden auf der Fanmeile, wie etwa der Pole Wojtan mit seinen drei Kumpels, alle Mitte 20, Nachts sind sie mit dem Auto nach Berlin gereist, sie haben selbst geschmierte Brote dabei, „weil wir nicht so viel Geld haben“, sagt Wojtan. Für ein Hotel reicht“s nicht, aber für Bier. Die Nacht wollen sie im Auto verbringen.
Tröten, Trikots und überall bunte Fahnen. Mehr als eine halbe Million Touristen sind am ersten Wochenende der Fußball-WM in der Stadt. „All die Fahnen, Sprachen, das erinnert mich an Christo und Jean-Claude“, sagt Gerhard Buchholz, WM-Koordinator der Berlin Tourismus Marketing (BTM). Die Künstler hatten im Sommer 1995 den Reichstag vier Wochen lang verhüllt.
Die Brasilianer spielen zwar erst am kommenden Dienstag in Berlin, viele Fans sind aber schon jetzt in der Stadt. Paulo Hamilton aus Rio de Janeiro ist mit seinen Freunden angereist, sie stehen an einem Fantreff der Brasilianer auf der WM-Meile. Gelb-grüne Haare, gelbe Trikots, „wir bleiben während der WM in Europa“, sagt Paulo und deutet auf seine Freunde. Norwegen wollen sie unbedingt besuchen, und Hamburg, „da haben wir WM-Karten für ein Spiel“, sagt er. Was ihm an Berlin gefalle? Mmh, sagt er und lächelt: „Bier, blonde Frauen, blaue Augen und Fußball.“ Nur seine Freundin ist irritiert, dass es „Berliner Weiße“ gibt auf der Fanmeile – aber gar keine Caipirinha.
Aus allen Nationen kommen die Fans mit ihren Trikots, auch aus Australien, so wie Karen und Jack. Dem Mann ist zu heiß in Berlin, er will gleich sein gelbes Australien-Trikot ausziehen. Karen und Jack haben Karten für drei WM-Spiele, „unsere Freunde sind neidisch, dass wir nach Deutschland gefahren sind“, sagt Jack. „Hier waren wir noch nie.“ Viele, vor allem jüngere Fans, haben nur bedingt das Geld für den weiten Flug nach Berlin. Sie sind so etwas wie Erstbesucher. Trikots aus Paraguay, Ecuador sind zu sehen, auch aus Vietnam. Allerdings kommen auch viele Besucher aus anderen Bundesländern, die in der Stadt ihre Verwandten besuchen und einen Abstecher ins Regierungsviertel machen. Auch vor dem Sony-Center stehen die Menschen in einer endlos langen Schlange, um im Innern die Spiele auf der Leinwand zu gucken.
Der Auftritt von Seeed in München dauerte übrigens nur drei Minuten, dann verschwanden sie wieder vom Bildschirm. Minuten später kamen die deutschen Spieler aufs Feld gelaufen – unter großem Jubel der Berliner. Seeed waren zu diesem Zeitpunkt schon wieder auf dem Heimweg. Kurz nach 20 Uhr sollten sie nämlich vor 20 000 Zuschauern im Treptower Park rocken – bei „Popkick06“. Zu Hause in Berlin ist es halt am schönsten.
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