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Brandenburg: Arme Justitia

Blechinger muss Richsteins Arbeit fortsetzen

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Blechinger muss Richsteins Arbeit fortsetzen Arme Justitia. Aus Brandenburg wird eine neue Richter-Affäre gemeldet. Alarmieren muss, dass es niemanden mehr überrascht. Wieder einmal ist einer der höchsten Juristen des Landes ins Zwielicht geraten. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen der handverlesenen Obergerichts-Präsidenten, weil offenbar in der familiären Steuererklärung eine erkleckliche Erbschaft nicht auftauchte: Dabei ist die Trennungsgeld-Affäre, in der hochrangige Juristen, Staatsanwälte, Ministerialbeamte des Justizressorts verwickelt sind, noch nicht einmal aufgearbeitet. Was ist los in der Brandenburger Justiz? Die Frage stellt sich auch, weil mit der neuen SPD-CDU-Koalitionsregierung am Mittwoch eine neue Justizministerin vereidigt wird. Es hat mit diesen ständigen Affären zu tun, dass die junge Amtsinhaberin Barbara Richstein jetzt von der bisherigen CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger abgelöst wird. Es ist eben nicht nur eine Versorgungslösung für Blechinger im christdemokratischen Postenschacher. Nicht ohne Grund ist die arrogante Häme in der Justiz groß, dass Richstein stolperte. Nicht zufällig sind die ersten Signale der sonst hyperkritischen Richterlobby gegenüber Blechinger so mild, obwohl sie keine juristische Ausbildung hat. Dass das Verhältnis zwischen Richstein und weiter Teile der Justiz am Ende wirklich irreparabel zerrüttet war, hat eine tiefere Ursache: Die Justiz hat Richstein nicht verziehen, dass sie es war, die konsequent, ohne Ansehen der Person die Generalüberprüfung der Trennungsgeld-Praxis veranlasste – und in ein Wespennest gestochen hat. Brandenburger Spitzenjuristen hatten zusätzlich zu ihren hohen Einkommen zu Unrecht Trennungsgeld kassiert, teils wegen falscher Bewilligungen, teils aufgrund falscher Angaben. Der Verfassungsgerichtspräsident musste seinen Hut nehmen, gegen andere laufen Disziplinarverfahren. Seitdem wurde die Justizministerin gemobbt, am Ende mit Erfolg. Man muss Richstein vorhalten, dass sie es durch Ungeschicklichkeiten und mangelnden politischen Instinkt ihren Gegnern leicht machte. Auch ihre Räson gegenüber dem zur Justiz zu dominanten Innenminister und Parteichef Schönbohm trug zum Ruf der Leichtgewichtigkeit bei. Trotzdem wirft ihr Fall auch ein Licht auf eine Justiz, in der Korpsgeist, Standesdünkel und Anspruchsdenken schwer erträgliche Ausmaße angenommen haben. Man sieht es schon am Umgang mit der Trennungsgeld-Affäre - kaum Unrechtsbewusstsein. Brandenburgs betroffene und nicht betroffene Juristen sind sich weitgehend darin einig, dass die „lässlichen“ Sünden ganz diskret hätten bereinigt werden müssen. Man prozessiert, was das Zeug hält, wartet auf förmliche Bescheide, feilscht um jeden Euro, flüchtet sich in juristische Finessen. Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes Gut. Es ist die dritte Gewalt. Aber sie setzt höchste Integrität ihrer Amtsträger voraus. Es wird die wichtigste Aufgabe der neuen Justizministerin Beate Blechinger sein, die von Richstein begonnene Aufklärung der Justiz-Affären konsequent zu Ende zu führen, um verloren gegangene politisch-moralische Maßstäbe in der Brandenburger Justiz wieder gerade zu rücken.

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