Brandenburg: Arzt bestreitet Mordvorwurf bei Drogentherapie
Umgang mit illegalen Substanzen völlig falsch eingeschätzt / Prozess wird am Montag fortgesetzt
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Berlin - Garri R. sprach unter Tränen über das katastrophale Ende der letzten Therapiesitzung in seiner Hermsdorfer Praxis. An sieben der zwölf Patienten hatte er auch Ecstasy gegeben. Zwei Männer, 28 und 59 Jahre alt, starben. „Ich habe auf schreckliche Weise erfahren müssen, dass ich den Umgang mit illegalen Substanzen völlig falsch eingeschätzt habe“, sagte der 51-jährige Arzt vor Gericht.
Garri R., ein hagerer Mann mit blassem Gesicht, ist seit sechs Monaten inhaftiert. Nun verlas er eine Erklärung. Seine Gruppe hatte sich auf die umstrittene „psycholytische“ Methode eingelassen – unter Einsatz „bewusstseinserweiternder Mittel“. Die Einnahme sei freiwillig gewesen, die Patienten „standardmäßig“ umfassend über Substanzen und Nebenwirkungen aufgeklärt worden, sagte der Arzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie. Das Amphetamin MDMA, das auch als Ecstasy bekannt ist, hatte er von einem „langjährigen Freund“.
Der Mediziner räumte ein, dass er am 19. September 2009, als die Patienten zunächst ein legales Mittel bekommen hatten, „eine kleine Menge LSD“ zu sich nahm. Weil es ihn „aufmerksam und einfühlsam“ mache. Er holte eine Waage, um das Ecstasy zu portionieren. Nach 15 Minuten setzte die Wirkung ein. Ein Patient lief durch den Raum und sprach über sich. Eine Frau sagte etwas Unverständliches. Ein junger Mann schluchzte. Ein Frührentner wälzte sich auf dem Boden. „Viele kämpften gegen die inneren Bilder.“ Der Zustand eines 59-jährigen Frührentners erschien ihm bedenklich. „Erstmals bei einer solchen Sitzung entschloss ich mich, medikamentös einzugreifen.“ Er spritzte Valium. Das Beruhigungsmittel half nicht. Der Mann starb noch in der Praxis. Auch ein Student kollabierte. Er spritzte ihm Morphium. Der 28-Jährige starb später auf einer Intensivstation.
Garri R. muss sich wegen versuchten Mordes in einem Fall, Körperverletzung mit Todesfolge in zwei Fällen sowie gefährlicher Körperverletzung verantworten. Ohne vorherige körperliche Untersuchung und Aufklärung über die Risiken habe er den Opfern hoch dosiertes Ecstasy gegeben. Die Patienten hätten dem Arzt vertraut und Drogen sowie Dosierung für ungefährlich gehalten. Im Falle des verstorbenen Studenten geht es um einen Mordversuch. R. habe den Kollabierten in Privaträume gebracht, um die Drogen-Therapie geheim zu halten. Diesen Vorwurf wies R. als „absurd“ zurück. Er selbst habe den Notarzt gerufen.
Die Frage der strafrechtlichen Schuld aber ist umstritten. Verteidiger Ferdinand von Schirach verwies auf die Selbstverantwortung von Patienten. Drogen seien auch bei früheren Sitzungen geschluckt worden. „Die Teilnehmer der Gruppe wussten, was sie taten.“ Für den Anwalt liegt das Geschehen „sehr viel näher an einem Unfall als an einem Verbrechen“. Der Prozess geht Montag weiter. Kerstin Gehrke
Kerstin Gehrke
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