Medizinische Versorgung: Ärzte sehen Grundversorgung in Gefahr
Hausärzte im Land Brandenburg warnen vor einer weiteren Verschlechterung der medizinischen Grundversorgung auf dem Land, sollten die Krankenkassen wie geplant die Vergütung der Ärzte für das kommende Jahr kürzen.
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Potsdam - Seit Mittwoch verhandelt der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) mit den Kassenärzten über die Honorare für 2013. Bereits im Vorfeld hatte der Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, angekündigt, die Zuweisungen senken zu wollen, da die Ärzte immer höhere Gewinne erzielten, deren Kosten aber weitgehend gleich geblieben seien. Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Brandenburg, Ulrich Schwantes, kritisiert die Position der Kassen als absurd. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Brandenburg warnt vor „einem Versorgungschaos“.
Die Krankenkassen berufen sich unter anderem auf eine von ihnen bei der Prognos AG in Auftrag gegebene Studie. Demnach habe sich der Überschuss je Arzt von 105 000 Euro im Jahr 2005 auf 134 000 Euro im Jahr 2011 erhöht. Rechne man die Einnahmen aus der Behandlung der Privatversicherten ein, steige der Gewinn sogar auf 165 000 Euro. Große Teile der Kosten wie etwa die Miete oder die Personalkosten seien dagegen weitgehend unverändert geblieben, argumentiert die GKV. Daraus ergebe sich eine Überbezahlung der Ärzte in Höhe von 2,2 Milliarden Euro. Deshalb, so von Stackelberg, wolle man den sogenannten Orientierungswert für das kommende Jahr von 3,5 auf 3,25 Cent kürzen. Seit der Honorarreform 2009 gilt für die vertragsärztliche Vergütung ein bundesweiter Orientierungswert. Dieser muss von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband jeweils bis zum 31. August eines Jahres für das Folgejahr festlegt werden. Auf Basis des Orientierungswertes wird dann die regionale Gebührenordnung festgelegt. Die Ärzte selbst fordern eine Erhöhung der Vergütung um insgesamt 3,5 Milliarden Euro wegen gestiegener Betriebskosten und als Inflationsausgleich. Dies sei „völlig überzogen“, so von Stackelberg.
Eine Kürzung der Honorare aber, ist sich Ulrich Schwantes vom Hausärzteverband Brandenburg sicher, sei „in Zeiten zahlreicher nicht besetzter Hausarztpraxen im Land Brandenburg“ ein vollkommen falsches Signal an den ärztlichen Nachwuchs. „Es gibt ja kaum noch Argumente, einen jungen Arzt in die Niederlassung auf dem Land zu bewegen“, findet Schwantes. Bereits jetzt erhielten Brandenburgs Ärzte mit 338 Euro pro Patient durchschnittlich weniger als ihre Kollegen in anderen Ländern. Der Bundesdurchschnitt liege bei 346 Euro.
Laut Kassenärztlicher Vereinigung stehen durch die geplante Kürzung rund sieben Prozent weniger Geld für die ambulante medizinische Versorgung bereit als bisher. „Damit wäre die Sicherstellung der ambulanten Versorgung erheblich gefährdet“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung mehrerer KVn. Bei der Prognos-Studie handele es sich um ein Parteigutachten, das „nicht einmal den geringsten wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werde“.
Auch in der brandenburgischen Landespolitik stößt die Haltung der Krankenkassen auf wenig Verständnis. „Das ist kontraproduktiv“, meint etwa die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Sylvia Lehmann. „Fakt ist, dass wir seit Jahren im ländlichen Raum nach finanziellen Anreizen suchen, um dort die Attraktivität für Hausärzte zu erhöhen“, so Lehmann. Aber auch vor dem Hintergrund der angeblichen Rekordüberschüsse der Krankenkassen sei deren Haltung nicht nachvollziehbar.
FDP-Landeschef Gregor Beyer sieht das ähnlich: „Den Streit möchte ich nicht kommentieren, eines beobachte ich aber genau: Die medizinische Grundversorgung auf dem Land wird immer schlechter. Und die Bezahlung ist ein wichtiger Faktor. Das müssen die Kassen im Auge behalten. Das ist ihr gesetzlicher Auftrag.“
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