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Seltsame Idee von Brandenburgs Sozialministerium: Asyl im Parlament: Potsdamer Landtag als Flüchtlingsunterkunft?
Nach Flüchtlingsunterkünften wird derzeit händeringend gesucht. Warum nicht einfach den Landtag zu einem Heim machen? Brandenburgs Sozialministerium bringt sich mit einem heiklen Vorschlag in die Bredouille.
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Potsdam - Hauptsache, sie haben ein Dach über dem Kopf: Angesichts des Flüchtlingszustroms nach Deutschland wird derzeit viel improvisiert, vor allem bei der Suche nach Unterkünften: In Berlin ist es eine alte Schule in Kreuzberg, die Flüchtlinge seit Monaten besetzt halten. In Hamburg sind 80 Afrikaner in der St-Pauli-Kirche untergebracht.
Die Idee, die jetzt aus Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam kommt, erstaunt allerdings: Dort sollen Flüchtlinge bald im Landtag auf dem Brauhausberg wohnen. Diese Adresse bringt zumindest das Sozialministerium ins Spiel. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl ist empört: Die "Ad-Hoc-Lösungen" der Politik zur Unterbringung von Asylbewerbern würden immer bizarrer, hieß es am Dienstag.
Nun müsste sich kein Landtagsabgeordneter mit einem traumatisierten Tschetschenen oder Syrer sein Büro teilen. Denn die Politiker ziehen Anfang 2014 in ein neues Parlamentsgebäude im wiederaufgebauten Stadtschloss. Das Objekt Am Havelblick 8 - die Postadresse des alten Landtages - ist dann frei, wie das Ministerium an die Stadt Potsdam schrieb. Und könnte fortan als Flüchtlingsheim genutzt werden.
Es wäre nicht die erste neue Verwendung. Um 1900 erbaut, diente der rote Backsteinbau schon als Reichskriegsschule und war später Sitz der SED-Bezirksleitung. Das Problem: Es gibt wenige Toiletten, keine Duschen oder Bäder, zudem fehlen Küchen. Die Heizung ist gut 80 Jahre alt. Nur über eine einzige Zufahrtsstraße kommen Rettungs- und Versorgungsfahrzeuge auf das Gelände.
Inzwischen ist das Sozialministerium bemüht, die Sache zu entschärfen. Der Vorstoß sei kein "aktiver Vorschlag" und Havelblick 8 nur eine von mehreren freien Liegenschaften, erklärte Ministeriumssprecher Florian Engels. Für die Landesregierung ist die Sache weniger wegen der fehlenden Duschen und Bäder ein Problem. Sondern wegen der politischen Bedeutung, die ein Landtagsgebäude nun einmal hat - auch wenn es ab 2014 nicht mehr in Funktion ist.
In dem noch genutzten Hohen Haus wurde oft über die Flüchtlingsproblematik diskutiert, die auch Brandenburg vor Probleme stellt. Die zentrale Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt ist seit Monaten stark überbelegt, auch andere Heime sind voll. Das Land macht daher verstärkt Druck auf Kommunen und Landkreise. Vergangene Woche wies das Sozialministerium die Kreise und kreisfreien Städte an, zügig für eine Unterbringung zu sorgen.
Über die politische Tragweite der Adresse "Am Havelblick 8" war man sich wohl nicht bewusst. Spätestens nach der Flüchtlingstragödie vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa mit über 230 Toten liegen die Nerven blank. Jeder undurchdachte Vorstoß birgt neuen Zündstoff, auch wenn er eigentlich gut gemeint ist.
Ein anderes Provisorium ist indes schon in Betrieb. Am Mittwoch besucht Brandenburgs Innenstaatssekretär Rudolf Zeeb die Flüchtlingsunterkunft in Schönefeld (Dahme-Spreewald). Das Gebäude ist eigentlich ein Abschiebegefängnis, aber Brandenburg hat es zum Heim umfunktioniert. Es liegt an dem von Pannen geplagten neuen Hauptstadtflughafen BER. (dpa)
Haiko Prengel
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