Brandenburg: Atomstrom – Polen steigt ein, Deutschland aus Brandenburgs Nachbar erläuterte seine Energiepläne
Berlin - In Brandenburg wird heftig gegen die Pläne des Nachbarn Polen protestiert, neue Atomkraftwerke – möglichst noch in Grenznähe – zu errichten. Und was macht Polen?
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Berlin - In Brandenburg wird heftig gegen die Pläne des Nachbarn Polen protestiert, neue Atomkraftwerke – möglichst noch in Grenznähe – zu errichten. Und was macht Polen? Es erkennt im deutschen Atomausstieg eine Chance auf bessere Absatzchancen auf dem europäischen Energiemarkt für eigenen Atomstrom. Und anders als der Nachbar Brandenburg setzt Polen auch nicht mehr auf die Kohle als Stromlieferant. Die ist den Polen zu dreckig. Ein hochrangiger Diplomat des Nachbarlandes sagte am Mittwochabend auf einer Veranstaltung des Polnischen Instituts in der Landesvertretung Brandenburgs in Berlin, Deutschland werde polnischen Strom brauchen.
Artur Lorkowski, der Vizechef der Wirtschaftsabteilung im polnischen Außenministerium wollte über die in Deutschland höchst umstrittenen Atompläne seines Landes zunächst kein Wort verlieren. Jedes EU-Land sei selbst für seine Energiepolitik verantwortlich, sagte er lediglich. Auf Nachfrage erläuterte er dann aber, dass Polen gar keine Alternative zum Bau von Kernkraftwerken, gegen die besonders in Brandenburg protestiert wird, sehe. Denn die EU-Klimaschutzpolitik sei verbindlich und sie zwinge das Land dazu, seine Stromproduktion gänzlich neu zu organisieren. Denn derzeit gewinne Polen 94 Prozent seiner Elektrizität aus fossilen Brennstoffen, insbesondere aus Kohle. Auch sei die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu groß. Er verwies darauf, dass Russland im Kaliningrader Gebiet, die Ukraine und auch Weißrussland über solche Neubauten nachdächten und dass auch nach dem deutschen Abschalten von AKW in geringer Entfernung zur deutschen Grenze Meiler in Betrieb blieben.
In der Debatte, die Lorkowski im Wesentlichen zusammen mit Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik bestritt, wurde deutlich, dass die deutsche Entscheidung zum Ausstieg aus der Kernkraft in Warschau mit einiger Verwunderung registriert wurde. Ob in der EU eine gemeinsame Klimaschutzpolitik möglich ist, wenn jeder Mitgliedsstaat für sich und ohne weitere Konsultation die Energiepolitik bestimmt, bezweifelte der polnische Experte. Polen werde jetzt versuchen, aus der Situation das Beste zu machen und möglichst schnell zu dem Stromlieferant zu werden, der angesichts der Verknappung der Erzeugungskapazitäten in Deutschland benötigt werde. Ideal wäre aus Warschauer Sicht eine fortgeschrittene Vernetzung über Ländergrenzen hinweg, eine Liberalisierung der Märkte und eine Klimaschutzpolitik, die nicht dazu führe, dass Verschmutzungsprozesse nur verlagert würden.
Die Argumente aus dem polnischen Außenministerium klangen erstaunliche Ähnlichkeit zu denen aus dem Potsdamer Wirtschaftsministerium auf. Ein Unterschied ist allerdings frappierend. Während das Land Brandenburg weiter auf die Kohleverstromung setzt, will der polnische Nachbar möglichst schnell weg von der Kohle und diese durch Kernenergie ersetzen. Die deutsche Diskussion wird aus der Sicht von Lorkowski wie auch von Geden zu sehr von ethischen Prämissen überlagert, die zu einer verkürzten Sicht auf die Dinge führten. Es nütze dem Klima wenig, wenn Produktionsprozesse in Drittstaaten verlagert würden, weil in der EU die Kosten für die Emissionsvermeidung zu hoch seien. Mit den Produkten, die dann aus Drittstaaten importiert würden, leisteten auch die ökologisch engagierten Deutschen ihren Beitrag zum CO2-Ausstoß. Nicht die Moral, sondern die Marktregeln seien entscheidend dafür, ob die angestrebte Senkung des Schadstoffausstoßes erreicht werde. Diplomatisch formuliert, aber unüberhörbar begleitete solche Ausführungen der Vorwurf, dass die Bundesrepublik mit ihrer Energiewende nicht nur einsame, sondern schwer nachvollziehbare und überstürzte Entscheidungen gefällt habe. Polen jedenfalls, so die Botschaft, fühle sich nicht dazu verpflichtet, dies als Vorbild zu begreifen. Johann Legner
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