zum Hauptinhalt

Brandenburg: Auch Berlin will in Bus und Bahn filmen

Mord in Bus: Bilder vom Angriff wurden gelöscht / In Brandenburg wird gefilmt und gespeichert

Stand:

Berlin/Potsdam - Nach dem Mord an dem 18-jährigen Jan R. in einem BVG-Bus in Berlin sollen nun auch in der Hauptstadt Videoaufnahmen von Sicherheitskameras künftig länger gespeichert werden. Dieser seit langem erhobenen Forderung der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und des Senats schloss sich gestern im Prinzip auch der neue Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix an, wenn auch mit Vorbehalten.

Der Mord in einem Bus im Berliner Stadtteil Köpenick war am Montagabend von einer Videokamera aufgezeichnet worden – doch die Bilder wurden wenige Minuten nach der Tat wieder überspielt. Weil der Busfahrer von dem tödlichen Streit im hinteren Teil des Gelenkbusses anfangs nichts mitbekommen hatte, aktivierte er nicht per Knopfdruck die dauerhafte Speicherung der Bilder, sagte ein BVG-Sprecher gestern.

Standardmäßig ist in Berlin die Aufzeichnung nicht erlaubt – weil der Datenschutzbeauftragte dagegen ist, wie die BVG sagt. Ab März nächsten Jahres sollen auf drei U-Bahn-Linien die Bilder testweise einen Tag gespeichert werden. Dies hatte der Datenschutzbeauftragte nach den Terroranschlägen von London der BVG zugestanden. Davon abgesehen, hatten Dix und auch sein Vorgänger Garstka bislang eine längere Aufzeichnung abgelehnt. Angesichts des aktuellen Vorfalls schoben sich nun Verkehrsbetriebe und Datenschützer die Verantwortung gegenseitig zu. „Wir können der BVG keine Vorschriften machen, sondern nur beraten und empfehlen“, sagte der Sprecher des Datenschutzbeauftragten, Volker Brozio. Der Datenschutzbeauftragte kündigte angesichts des Mordes an, von seiner strikten Linie abzuweichen und einer längeren Speicherung von Videoaufnahmen aus Verkehrsmitteln zuzustimmen. „Man kann darüber reden, das Zeitfenster auszuweiten“, sagte Dix. Eine wesentlich längere Speicherung, zum Beispiel für 24 Stunden, lehnt er aber weiter ab. „Wir müssen zwischen dem Sicherheitsbedürfnis und dem Schutz der Bürger vor permanenter Überwachung abwägen.“ Man sei bereit, „praktisch gebotene Lösungen zu befördern“. Die BVG kommentierte das so: „Offensichtlich bekommt Dix nach dieser Bluttat kalte Füße.“ Vorbild könnte Potsdam sein: Dort werden die Bilder aus Bussen und Straßenbahnen meherer Tage gespeichert.

Im Land Brandenburg, wo Dix bis zum Herbst Datenschutzbeauftragter war, werden Videoaufnahmen aus Bussen und Straßenbahnen generell länger aufbewahrt. In Potsdam, dem Landkreisen Potsdam-Mittelmark und Havelland werden zumindest die neueren Busse standardmäßig per Video überwacht. So stattet die Verkehrsgesellschaft Havelbus, die den Kreisen Potsdam-Mittelmark und Havelland gehört, ihre gesamte Busflotte sukzessiv mit Video-Überwachungsanlagen aus: Pro Jahr werden 19 der derzeit 220 Busse erneuert und die neuen Fahrzeuge haben alle Aufzeichnungstechnik an Bord. In Brandenburgs Landeshauptstadt werden nach Aussagen der Stadtwerke bereits mehr als die Hälfte der Busse und Straßenbahnen mit Videokameras überwacht. Anders als in Berlin, wo der Busfahrer zur permanenten Speicherung der Aufnahmen erst einen gesonderten Knopf drücken muss, landen in Potsdam die Aufnahmen einer gesamten 10-Stunden-Schicht im Archiv: Nach Dienstschluss entnehmen die Fahrer die Videobänder, die dann für mehrere Tage aufbewahrt werden. Durch die Potsdamer-Praxis konnten auch einige der Jugendlichen aus der rechten Szene identifiziert werden, die derzeit in Potsdam wegen versuchten Mordes an zwei linken Jugendlichen vor Gericht stehen. Die Täter hatten im Sommer eine Straßenbahn notgebremst und waren dann auf ihre Opfer losgegangen. Auf den bei den Stadtwerken gelagerten Videos waren sie zu erkennen.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) fühlt sich nach Mord im Bus in Berlin in seinem Ruf nach längerer Speicherung bestätigt. „Der Fall zeigt, wie wichtig Videoaufnahmen sind“, sagte Körting. Er halte die Überwachung im öffentlichen Nahverkehr für wichtig, um die Sicherheit zu erhöhen und Straftaten zu verfolgen. Direkten Einfluss könne man nicht nehmen, sagt sein Sprecher Martin Steltner: „Die Umsetzung obliegt der BVG.“

Die Berliner Polizei setzte eine Belohnung von 5000 Euro aus und veröffentlichte ein Phantombild des Täters. Gesucht werden alle Fahrgäste, die in dem 167er Bus gesessen haben, der am Montag um 20.36 Uhr an der Zittauer Straße in Rudow abfuhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })