Brandenburg: Auch Brandenburg versagt beim Blackout-Stresstest Wissenschaftler: Land hat zu wenige krisenfeste Tankstellen. Mit Plünderungen sei kaum zu rechnen
Potsdam - Nachdem Berlin beim großen Blackout-Stresstest bereits durchgefallen ist, erwarten Experten auch für das Land Brandenburg erhebliche Probleme, sollte für längere Zeit der Strom ausfallen. Als kritisch angesehen wird vor allem die geringe Zahl von Tankstellen, die über ein Notstromaggregat verfügen.
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Potsdam - Nachdem Berlin beim großen Blackout-Stresstest bereits durchgefallen ist, erwarten Experten auch für das Land Brandenburg erhebliche Probleme, sollte für längere Zeit der Strom ausfallen. Als kritisch angesehen wird vor allem die geringe Zahl von Tankstellen, die über ein Notstromaggregat verfügen. Gerade einmal die Hälfte aller Landkreise habe zudem Konzepte entwickelt, wie sich der Treibstoffnachschub für Einsatzfahrzeuge im Ernstfall organisieren lasse, monieren Wissenschaftler der Fachhochschule Brandenburg. Auch ein flächendeckender Notfallplan des Landes für einen Stromausfall fehle bislang.
Wie berichtet wird derzeit im Auftrag des Bundesforschungsministeriums die Krisenfestigkeit Berlins und Brandenburgs untersucht. Als Szenario wird ein viertägiger Stromausfall zugrunde gelegt. An dem Projekt „Tanknotstrom“, das im Mai 2012 ausläuft, sind Rettungskräfte, private Firmen und mehrere wissenschaftliche Einrichtungen beteiligt. Als Achillesferse gilt die Verfügbarkeit von Diesel. Denn ein Stromausfall würde auch die Pumpen der allermeisten Tankstellen lahmlegen. Doch ohne den Treibstoff kann die Feuerwehr nicht ausrücken, können Notstromaggregate in Krankenhäusern und Krisenzentralen keinen Strom produzieren. Ziel des Projektes ist es deshalb, ein Logistiksystem für die Kraftstoffversorgung zu entwickeln.
Welche Auswirkungen ein langer Blackout auf Behörden, Krankenhäuser und die Bevölkerung im Land Brandenburg hätte, analysieren derzeit Professor Friedrich Holl und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Max Luber von der Fachhochschule Brandenburg. Erschwert wird das Krisenmanagement in einem Flächenland wie Brandenburg nach Einschätzung von Holl durch die Größe des Gebietes und die Zuständigkeit der Landkreise im Katastrophenfall. „Einige brandenburgische Kreise haben sich zwar bereits Gedanken über Folgen eines lang anhaltenden Stromausfalls gemacht, einen flächendeckenden Plan gibt es aber noch nicht“, sagt der Professor. Allerdings habe die Landesregierung in der Vergangenheit die Kreise aufgefordert, wenigstens Konzepte zu entwerfen, wie Einsatzfahrzeuge im Ernstfall betankt werden könnten. „Aber nur die Hälfte der Kreise hat tatsächlich einen Plan erarbeitet“, kristisiert der Wissenschaftler.
Tatsächlich wäre es bei einem Blackout um den Dieselnachschub schlecht bestellt. „In jedem Kreis gibt es gerade einmal ein bis zwei Tankstellen, die über ein Notstromaggregat verfügen“, berichtet Holls Mitarbeiter Luber. „Das ist eigentlich zu wenig.“ Bei Deutschlands größtem Landkreis, der Uckermark, kämen da mal eben 100 Kilometer Anfahrtsweg für das Auftanken zustande, schätzt Luber. Die geringe Zahl an krisenfesten Tankstellen führen Holl und Luber auf Konflikte zwischen den Tankstellenbetreibern und den Kreisverwaltungen zurück. „Es gibt eine Debatte darüber, wer für die Investition in ein Notstromaggregat zuständig ist. Die Mineralölgesellschaften sagen die Kreise, die wiederum zeigen auf die Unternehmen und verweisen auf ihre klammen Haushalte“, erzählt Luber.
In einer Umfrage versuchen die Forscher derzeit zu ermitteln, wie viele Einsatzfahrzeuge in den Kreisen stationiert sind. Daraus sollen Rückschlüsse auf die notwendige Treibstoffmenge gezogen werden. „Ein Kreis hat angegeben, dass sein Fuhrpark pro Woche rund 15 000 Liter Diesel verbraucht und damit gerechnet wird, dass sich die Menge bei einem Blackout um das Anderthalbfache vergrößere“, sagt Holls Assistent.
Gravierende Folgen hätte der Dieselmangel ebenfalls für die Kommunikation der Helfer. „Auch die Akkus der Funkgeräte müssen aufgeladen werden. Das geht aber nur, wenn die Notstromaggregate in den Einsatzzentralen laufen“, erläutert Max Luber. Die Aggregate hätten in der Regel einen Dieselvorrat, der für maximal 48 Stunden reiche. Das gelte auch für die Anlagen in den Krankenhäusern. „Eine Klinik hat angegeben, dass sie im Ernstfall auch ihren Heizölvorrat anzapfen würde“, berichtet der Wissenschaftler. „Eine vernünftige Variante, aber kaum eine Universallösung“, meint Friedrich Holl. „Die allermeisten Krankenhäuser des Landes sind bereits an das Fernwärmenetz angeschlossen und besitzen gar keine Heizöltanks mehr“, begründet der Professor.
Zumindest ein negativer Effekt, den ebenfalls an dem Projekt beteiligte Forscher für Berlin erwarten, bleibt nach Meinung Holls und Lubers dem Land Brandenburg erspart. „Zu Plünderungen, wie sie in Berliner Problembezirken wie Kreuzberg oder Neukölln denkbar sind, wird es kaum kommen“, schätzt Luber. „Höchstens vereinzelt in Ballungsräumen wie Frankfurt (Oder) oder Eberswalde.“ Das glaubt auch Holl: „Vielmehr wird sich aufgrund der überwiegend ländlichen Struktur bei Versorgungsengpässen die Nachbarschaftshilfe verstärken.“
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