Brandenburg: Auch unter Rot-Rot wuchs die Armut
CDU präsentiert Sozialstudie zur Lage in Brandenburg. SPD und Linke verweisen auf Verantwortung im Bund
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Potsdam - In Brandenburg ist die Armut auch unter der rot-roten Regierung weiter gewachsen. Das geht aus einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg (SFZ) hervor, die im Auftrag der CDU-Landtagsfraktion entstand und am Dienstag in Potsdam vorgestellt wurde. Demnach sind 18 Prozent der Brandenburger arm oder leben im Armutsrisiko und haben monatlich weniger als 782 Euro zur Verfügung – das sind 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens der Bevölkerung. Gleichzeitig nehmen soziale Unterschiede im Lande zu, wie Autor Thomas Hanf erläuterte. Das liege vor allem daran, dass die „oberen Einkommen schneller steigen als die unteren“, zu denen auch die festgelegten Sätze von Hartz IV oder das Arbeitslosengeld zählen – ein Effekt des wirtschaftlichen Aufschwungs in Brandenburg.
Das Institut, das für die Expertise auch 1400 Brandenburger befragte, macht regelmäßig Armutsreports etwa für die Volkssolidarität. In Brandenburg hatte es 2008 am offiziellen Armutsbericht mitgewirkt, der unter dem damaligen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) und seinem Vize Jörg Schönbohm (CDU), begründet mit dem Vorwurf der Schwarzmalerei, entschärft worden war. Die damalige PDS-Opposition hatte regelmäßig mit diesen Zahlen operiert.
In der Befragung gaben 52 Prozent der Brandenburger an, dass sich das Armutsproblem in den letzten Jahren verschärft habe. 24 Prozent antworteten mit Nein. 65 Prozent erwarten weitere Verschlechterungen. Krass ist laut der Studie das Armutsgefälle innerhalb des Landes: In den Berlin-fernen Regionen fallen 24 Prozent der Haushalte unter die Armutsschwelle, im Berliner Umland lediglich zehn Prozent. „Bei der regionalen Differenzierung haben wir eine dramatische Situation“, sagte Hanf. Problematisch sei auch, dass die großen Städte besonders betroffen und 19,4 Prozent der Kinder in Brandenburg von Armut bedroht seien.
Schierack sieht sich durch den Befund darin bestätigt, dass Rot-Rot von den eigenen Ansprüchen weit entfernt blieb und „die Abkopplung der Berlin-fernen Regionen in Kauf“ nimmt. Hanf schränkte ein, dass die Möglichkeiten auf Landesebene begrenzt sind, etwa auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Den lehnt die Union ab, und sie hat auch den neuen Mindestlohn bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bekämpft, der von der rot-roten Regierung eingeführt wurde. Schierack blieb bei der bisherigen Linie und sieht keinen Widerspruch. Er sagte, man werde erst in einigen Jahren wissen, ob der Mindestlohn nicht zum Verlust von Arbeitsplätzen führe. Seine Schlussfolgerung aus dem Armutszahlen lautete, dass mehr in die Infrastruktur investiert und die Wirtschaft weiter angekurbelt werden müsse, damit reguläre Jobs entstehen. Vor allem Bildung sei der Schlüssel gegen Armut, meinte er. „Jedes Kind sollte die Bildung bekommen, die es benötigt.“
Das Sozialministerium hingegen wies die Kritik zurück. Brandenburg stehe im Vergleich der ostdeutschen Bundesländer gut da, hieß es. Sozialminister Günter Baaske (SPD) sagte, die CDU brühe alte Zahlen für den Wahlkampf auf. Die Behauptung, Brandenburg befinde sich in einer besonders schwierigen sozialen Lage mit hohen Armutsrisiken, werde auch durch mehrfaches Wiederholen nicht richtig. Laut Baaske waren etwa unter 18-jährige Brandenburger zuletzt weniger von Armut bedroht als ihre Altersgenossen in Sachsen. Außerdem müssten die Einkommen auch zu den Lebenshaltungskosten im Land in Bezug gesetzt werden. Vor allem Schwarz-Gelb im Bund habe die soziale Situation sogar verschärft, meinte der SPD-Politiker.
Linken-Spitzenkandidat und Finanzminister Christian Görke spottete: „Schierack hat es auf den Punkt gebracht, ohne es zu bemerken. Ja: Hartz IV ist und bleibt Armut per Gesetz.“ Die Linke in Brandenburg setze weiter auf Mindestlohn, Schüler-Bafög und Soziallastenausgleich, um dieVerwerfungen abzufedern.
Die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sylvia Lehmann, sagte, die CDU im Land habe etwa den gesetzlichen Mindestlohn und das Schüler-Bafög vehement abgelehnt. „Ihr plötzliches Interesse an der Lage von Geringverdienern ist daher unglaubwürdig.“
Die Spitzenkandidatin der Grünen, Ursula Nonnemacher, sagte, das von der CDU vorgetragene Ergebnis deckt sich mit der Feststellung des Armutsberichts der Volkssolidarität, wonach der Anteil der Bevölkerung in Brandenburg, dem ein Armutsrisiko droht, in den vergangenen Jahren gestiegen sei. Rot-Rot sei mit Projekten wie öffentlichem Beschäftigungssektor und dem Schüler-Bafög nicht weit gekommen, die soziale Schere habe sich sogar weiter geöffnet.(mit axf)
nbsp;Thorsten Metzner
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