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KRAFTWERKE: Auf dem Trockenen Heiße Phase

Brandenburgs Bauern stehen vor einer historischen Missernte. Die Preise ziehen bereits kräftig an

Stand:

Berlin - Die anhaltende Dürre sorgt für wirtschaftliche Schäden, vor allem in der Landwirtschaft. Sollte es in den nächsten Tagen nicht regnen, rechnen Bauern in mehreren Bundesländern mit Missernten. Besonders dramatisch ist die Lage in Brandenburg: Dort könnten nach Angaben des Landesbauernverbandes drei Viertel der Äcker und Wiesen in diesem Jahr weitgehend ausfallen.

„Es ist tragisch“, klagt Holger Brantsch, Sprecher des Verbandes. „Der Roggen rollt sich schon zusammen und stirbt ab.“ Ohne Regen dürfte es ein schlimmes Jahr werden. Wenn es nicht bald regnet, „ist die Saat verdorrt. Es wird von Stunde zu Stunde dramatischer.“ Meteorologen rechnen mit anhaltender Trockenheit. Im April wurden republikweit dem Deutschen Wetterdienst zufolge nur fünf Prozent des langjährigen Regenmittels gemessen.

„Es ist das erste Mal überhaupt, dass die Trockenheit den Pflanzen so früh zusetzt“, sagt Brantsch. Kommt eine Hitzewelle wie sonst üblich erst im Sommer, rafft sie die dann schon kräftigen Pflanzen nicht mehr völlig dahin; die Ernte fällt lediglich geringer aus. „Wenn die Pflänzchen in einem so frühen Stadium leiden, kann nichts mehr aus ihnen werden.“

Deshalb stellen sich Brandenburgs Landwirte auf eine historische Missernte ein. Die Äcker mit dem Wintergetreide müssen wohl in weiten Teilen des Landes umgepflügt werden. Die Ernte ist damit komplett dahin. Die Bauern müssen versuchen, neu zu säen. Doch bleibt es nun weitere zehn bis 15 Tage trocken, droht auch dieser Saat und dem ertragsschwächeren Sommergetreide das Aus.

Brandenburger Landwirte leiden wegen der sandigen Böden, die Wasser kaum speichern, besonders unter der Hitze. Aber auch in Teilen Niedersachsens, Mecklenburg-Vorpommerns und Bayerns drohen erhebliche Ernteverluste, sagte Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. „Die Lage hat sich in den letzten Tagen noch einmal verschärft.“ Außer Weizen, Roggen und Gerste sei auch die Rapsernte betroffen. „An manchen Standorten könnte sich der Ertrag halbieren“, sagte Lohse.

Betroffen von der Trockenheit sind auch die Waldbesitzer. Nicht nur ist die Gefahr von Waldbränden groß – auch der Borkenkäfer kann sich bei trockener Witterung gut ausbreiten und den Wert der befallenen Bäume ruinieren. Auch das Weideland erinnert vielerorts an verdorrtes Herbstgras. Somit dürfte in den kommenden Monaten Futter für die Milchkühe knapp werden. „Die Bauern werden die Kosten an die Händler weitergeben“, erwartet Lohse. Die Preisverhandlungen hätten gerade begonnen.

Die Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft nennt die Situation „dramatisch“. „Die Wasserreserven in Brandenburg sind total aufgebraucht“, berichtet Monika Frielinghaus vom Institut für Bodenlandschaftsforschung in Müncheberg. Mit den traditionellen Getreidesorten habe die Landwirtschaft hier vermutlich keine Zukunft – sie müssen sich umstellen. „Auf anspruchsvolle Pflanzen wie Weizen und Zuckerrüben muss man künftig wohl verzichten“, sagt Frielinghaus.

Doch Ersatz zu finden, ist schwierig. Neue Sorten zu züchten, dauert ein paar Jahre. Und wie sich das Klima tatsächlich entwickelt, lässt sich nur schwer vorhersagen. Vermutlich müssen sich die Bauern in Brandenburg an den Erfahrungen der Kollegen in Süd- und Osteuropa orientieren, wo das Klima traditionell heiß und trocken ist. Dabei haben die Bauern in der Mark ihre Reserven für schlechte Zeiten vielfach schon aufgebraucht, weil Hitzephasen und Hochwasser ihnen in den vergangenen Jahren zugesetzt haben. „Jetzt sind viele Existenzen bedroht“, sagt Verbandsexperte Brantsch.

Obst und Gemüse sind wegen der Hitze schon deutlich teurer geworden. In Nordrhein-Westfalen zahlten Verbraucher für Tomaten, Paprika und Salatgurken im April 26,6 Prozent mehr als im Vorjahr, meldete das Statistische Bundesamt. In Sachsen kostete Gemüse 15,5 Prozent mehr. Für Berlin und Brandenburg gab es noch keine Angaben. Tomaten, Gurken und Erdbeeren aus heimischen Gefilden würden wegen der Hitze als Erstes knapp und damit teurer, bestätigte Johannes Funke von der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle in Bonn. Die höheren Preise für die saisonabhängigen Nahrungsmittel trieben auch die Inflationsrate nach oben: Sie betrug im April nach vorläufigen Berechnungen des Statistikamtes 1,9 Prozent. Experten hatten wegen sinkender Gaspreise mit deutlich weniger gerechnet.

Die Stromwirtschaft beobachtet die Hitzewelle aufmerksam. „Wenn es weiterhin so heiß bleibt, bekommen wir eine angespannte Situation“, sagte ein Sprecher des Kraftwerksbetreibers RWE Power dieser Zeitung. Allerdings sei die Situation noch nicht vergleichbar mit dem Rekordsommer 2006, als das Kühlwasser für die Kraftwerke knapp wurde. Vor allem Atomkraftwerke und Steinkohlekraftwerke an Flüssen sind den Worten des RWE-Sprechers zufolge theoretisch hitzeanfällig. Die Verbraucher in Berlin und Brandenburg brauchen sich keine Gedanken über Stromknappheit zu machen. Laut Vattenfall ist bei den Kraftwerken in der Hauptstadt „eine Leistungseinschränkung derzeit kein Thema“. Die Braunkohlekraftwerke in der Lausitz wiederum seien nicht von externen Kühlwasserquellen abhängig, weil sie mit Grubenwasser arbeiten, sagte eine Vattenfall-Sprecherin. Tsp

Nils-Viktor Sorge

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