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Brandenburg: Auf der Suche nach dem Zweitehand-Handy
Frankfurter Viadrina-Ausgründung will europäischen Markt erobern – wirkaufens.de ist längst über Start-up-Phase hinaus
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Frankfurt (Oder) - Für Blazej Kotwicki ist jedes auf seinem Tisch landende Smartphone eine neue Herausforderung. „Jedes Gerät ist anders, man muss prüfen, ob alle Teile funktionieren, ob es optisch okay ist und persönliche Daten gelöscht sind“, sagt der 24-jährige Pole. Eigentlich studiert er an der Europa-Universität Viadrina Kulturwissenschaften. Nebenbei aber arbeitet er in Frankfurt (Oder) beim Betreiber des Internetportals wirkaufens.de und poliert dort aus ganz Deutschland eingesandte Altgeräte technisch und optisch auf.
„Blazej ist unser BlackBerry-Spezialist“, sagt Geschäftsführer und Hauptgesellschafter Christian Wolf. Der 34-Jährige hatte 2008 die asgoodas.nu GmbH gegründet, es war damals die erste Ausgründung des Viadrina-„Centres for Entrepreneurship“ (CfE). Knapp drei Jahre später ist das Unternehmen, das sich auf die Aufarbeitung und den Weiterverkauf gebrauchter Elektronik spezialisiert hat und heute unter der Marke „wirkaufens“ bekannt ist, längst über die Start-up-Phase heraus. „Wir sind keine Neugründung mehr, sondern befinden uns in der Wachstumsphase“, sagt Wolf.
Zwtl.: Unternehmen hat 47 Mitarbeiter Das belegt er mit Zahlen: Wurden Anfang des Jahres monatlich rund 2.000 gebrauchte Geräte über das firmeneigene Internet-Portal www.wirkaufens.de angekauft, seien es im Juli schon deutlich über 6.000 gewesen. Rund 85 Prozent seien Handys und Smartphones. Aber auch Navigationsgeräte, MP3-Player, Tablets oder Spielkonsolen werden aufbereitet. Notebooks sollen laut Wolf in absehbarer Zeit folgen. „Die Umsätze werden in diesem Jahr voraussichtlich drei Millionen Euro erreichen“, sagt der gebürtige Rheinländer.
Inzwischen bezog die Firma, die Wolf einst im Wohnzimmer startete und dann in Räume im Frankfurter Business and Innovation Centre (BIC) verlegte, eine Villa im Stadtzentrum. Die Zahl der Beschäftigten wuchs nach seinen Angaben auf 47, darunter sind rund 30 feste Mitarbeiter. Allein in den vergangenen zwei Monaten kamen fünf Leute hinzu, weitere Einstellungen sind geplant. „Wir sind dabei, unsere Produktionskapazität zu verdoppeln“, sagt Wolf. Ein Vertriebs- und Marketingbüro werde in Berlin eröffnet.
„Frankfurt bleibt aber Hauptsitz sowie Logistik- und Produktionsstandort“, sagt Wolf. Hier gebe es qualifizierte Mitarbeiter, und der polnische Markt sei sehr nah. Fast ein Drittel seiner Beschäftigten seien Polen, oft frühere Viadrina-Studenten.
Schon heute würden die aufbereiteten Geräte nicht nur in Deutschland – etwa über Ebay – sondern auch in Polen und der Ukraine verkauft. Deshalb habe er eine Ukrainerin von der Viadrina geholt, die Bestellungen aus ihrem Heimatland abarbeitet. Immer wieder bewerben sich auch Praktikanten von der Viadrina bei ihm.
Zur Europa-Uni hat der einstige Viadrina-Student noch immer gute Beziehungen. Ein bis zwei Mal im Semester hält er dort nach eigenen Angaben Vorlesungen zur Firmengründung und Einwerbung von Kapital. Er hat damit Erfahrung: „Wir haben in drei Runden Kapital eingeworben, zuletzt im Mai, das ermöglicht der Firma eine starke Wachstumsphase“, sagt Wolf.
In Vergleichen der Fachpresse wird die Firma ernst genommen, wie auch Kooperationen mit Versandhäusern und Mobilfunkanbietern belegen. So sieht Wolf sein Unternehmen auf gutem Weg: „In drei Jahren wollen wir europäischer Marktführer für Second-Hand-Electronic sein“, gibt er ein ehrgeiziges Ziel aus.
Die CfE-Leiterin Liv Kirsten Jacobsen hält dieses Vorhaben „nicht für abwegig“. „Zwar ist die Konkurrenz erheblich, aber möglicherweise nicht immer genauso solide“, lobt sie die nach ihren Angaben bisher erfolgreichste Ausgründung aus der Viadrina.
Wolf habe die Fähigkeit, Menschen von seinen Ideen zu überzeugen und Investoren zu finden. „Das Potenzial war gleich in unserem ersten Gespräch erkennbar. Ich war sicher: Der schafft das. Aber dass es so gut läuft, habe auch ich nicht geahnt“, sagt die Professorin. Jörg Schreiber
Jörg Schreiber
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