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Brandenburg: Auf Durchzug gestellt

Am Bahnhof Zoo ist es ruhiger geworden / Die Geschäftsleute fürchten um ihre Zukunft / Am Hauptbahnhof müssen noch kleine Mängel beseitigt werden

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Berlin - „Nächster Halt: Zoologischer Garten. Übergang zum Fern- und Regionalverkehr, zur S-Bahn, U9 und zum Metrobus.“ Die Ansage der U-Bahn hat sich dem neuen Fahrplan noch nicht angepasst. Seit Sonntag halten die Züge des Fernverkehrs nicht mehr am Bahnhof Zoo. Letzte Woche waren es noch 146. Noch immer ziehen Reisende ihre großen Koffer und Trolleys hinter sich her, amerikanische Rucksack-Touristen fragen nach dem Weg. Aber es ist merklich ruhiger geworden im Bahnhof Zoo. Besonders in den Läden und Imbissbuden.

„Das Geschäft können sie vergessen, hier ist tote Hose“, sagt ein Kioskbesitzer an Gleis 1 frustriert. Mehr als die Hälfte des Umsatzes sei weggefallen, seit nur noch Regionalzüge hier halten. Im August wolle er weitersehen. Zuerst hofft er, dass die Weltmeisterschaft Kunden bringt. Genau wie der junge Mann hinter dem Tresen der „Hotel Reservation“, der glaubt, dass er sich nach der WM einem neuen Job suchen muss. Bis Montagmittag wollte noch niemand bei ihm ein Hotelzimmer buchen. Ein älterer Mann, der nach Cuxhaven fährt, hat sich den Hauptbahnhof schon angeguckt, aber da hätte er „von ganz oben nach ganz unten“ umsteigen müssen „in sechs bis acht Minuten“. Der Zoo sei ihm sowieso „der liebste Bahnhof“ und nun fährt er von hier über Spandau nach Hause an die Nordsee. Die Floristin im Blumenladen empfindet die Lage „erträglich“. Sie habe es sich schlimmer vorgestellt. Ein Taxifahrer sagt, das Geschäft laufe „genauso wie sonst“, denn 75 Prozent der Taxifahrer stünden jetzt am Hauptbahnhof. Auch der Müllmann räumt „nicht merklich weniger Müll“ weg als sonst. „Die Arbeit bleibt, man muss seine Runden machen.“

Wenn gerade kein Regionalzug nach Cottbus, Eisenhüttenstadt oder Rathenow fährt, sind die vier Bahngleise verwaist. ICE-Züge fahren zwar noch immer durch den Bahnhof, aber sie halten nicht. „Zugdurchfahrt“ steht stattdessen auf den Anzeige-Tafeln. Dass „Zoo“ mehr war als ein Regionalbahnhof, daran erinnern noch die Wagenstandsanzeiger. Auf ihnen sind seit Sonntag aber nur noch die fünf Nachtzüge nach Wien, Paris und Zürich, Dortmund und München vermerkt. Das „Intercity-Restaurant“ im Bahnhof wirkt nun ein wenig fehl am Platz. Die Bahnhofsmission hilft nun zwar nicht mehr so vielen Menschen beim Ein- und Aussteigen, aber die Obdachlosen bleiben hier, sagt ein freiwilliger Helfer. „Am Hauptbahnhof versucht die Bahnpolizei, sie sofort rauszudrängen. Der ist nur für Reisende.“ Am Zoo werden auch weiterhin täglich 1000 Portionen Essen verteilt, nun vor allem durch ehrenamtliche Helfer. Die Hauptamtlichen arbeiten am Hauptbahnhof.

Inzwischen hat der neue Hauptbahnhof nach Ansicht von Bahnchef Hartmut Mehdorn seine Feuertaufe bestanden. Am Wochenende seien mehr als zwei Millionen Menschen in den Bahnhof gekommen. Das sei eine enorme Belastung für den Bahnhof gewesen, zeige aber auch, dass die Berliner ihren Hauptbahnhof angenommen hätten. Allerdings seien einige „kleine Mängel“ aufgetreten, die jetzt abgestellt würden. Die Anzeigen seien überlastet gewesen. Hinweise in den Tiefgaragen würden verbessert und teilweise an neuen Stellen angebracht. Am Wochenende hatten außerdem Reisende über lange Wartezeiten bei der Gepäckaufbewahrung geklagt. Schließfächer gibt es nicht. Das mit Personal ausgestattete „Gepäckcenter“ sei die erste Stufe für ein künftiges Check-In-Verfahren, bei dem Fluggäste ihr Gepäck im Bahnhof abgeben und dann mit dem Airport-Express zum Flughafen in Schönefeld fahren können, heißt es bei der Bahn. Allerdings sei am ersten Tag das Röntgengerät ausgefallen, mit dem die Gepäckstücke überprüft werden, so Mehdorn. Außerdem solle stärker auf die Bedürfnisse von Blinden eingegangen werden. Auch Briefkästen soll es künftig im Hauptbahnhof geben. Über deren Standort wollen sich Bahn und Post jetzt einigen. Dagegen warten im neuen Bahnhof Südkreuz Fahrgäste vergeblich auf die Züge aus Budapest. Weil die ungarischen Waggons noch nicht so umgerüstet sind, dass der Zug nach Ziehen der Notbremse bis zum nächsten Bahnhof weiterfährt, fahren diese Züge zunächst weiter über die Stadtbahn, wodurch sich die Fahrzeit um etwa 20 Minuten verlängert. (mit hop/kt)

Dorothee Schmidt

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