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Bargeld statt Gutscheine. Der kenianische Asylbewerber Patrick Kizito zeigt einen Einkaufsgutschein des Unternehmens Sodexo.

© dapd

Brandenburg: Aufbegehren eines Geduldeten

Der Flüchtling Patrick Kizito startete eine Online-Petiton gegen das diskriminierende Gutscheinsystem, das auch die Landesregierung ablehnt. Oberhavel-Landrat Schröter aber bleibt stur

Von Katharina Wiechers

Hennigsdorf - Mit Toastbrot, Saft und H-Milch im Einkaufswagen steht Patrick Kizito an einer Supermarktkasse in Hennigsdorf, einer Kleinstadt im Landkreis Oberhavel. Als die Kassiererin den Preis nennt, holt der Kenianer keine Geldscheine aus seinem Portemonnaie, sondern blau-grüne Papierzettel. Wie alle Asylbewerber im Landkreis Oberhavel bekommt er einen Großteil der staatlichen Leistungen in Gutscheinen ausgezahlt, die für bestimmte Produkte in ausgesuchten Geschäften gelten. Kizito engagiert sich seit Jahren dafür, dass Flüchtlinge Bargeld statt Gutscheinen bekommen - bislang ohne Erfolg.

Vor knapp drei Jahren floh der 31-Jährige aus Kenia nach Deutschland. Er habe als Fahrer für eine kämpferische Gruppe gearbeitet, erzählt Kizito. Als er aussteigen wollte, wurde er bedroht. „Ich wusste zu viel.“ Er hatte Angst um sein Leben, sein Vater wurde ermordet. Schließlich sah er keinen Ausweg mehr und floh.

Sein Asylantrag in Deutschland wurde abgelehnt – Kizito hat nun den Status der Duldung, also eine „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“. Seitdem befindet sich sein Schicksal sozusagen in der Schwebe. „Manchmal wird die Duldung um zwei Monate verlängert, manchmal um zwei Wochen, manchmal um einen Tag.“ Trotz der ausweglosen Situation setzt Kizito sich für ein besseres Leben der Flüchtlinge ein. Gemeinsam mit einigen Mitstreitern kämpft er seit über zwei Jahren dafür, dass das Geld, das ihnen hierzulande zur Verfügung steht, bar ausgezahlt wird. Die Entscheidung darüber liegt bei den Landkreisen und kreisfreien Städten. Überall in Brandenburg wird mittlerweile Bargeld ausgezahlt, nur die Landräte von Oberhavel, Oberspreewald-Lausitz und Havelland weigern sich.

130 Euro in bar und 180 Euro in Gutscheinen bekommt Kizito derzeit etwa. Die Papierscheine gelten nur in bestimmten Supermarktketten. Wenn er etwas aus seiner Heimat kochen will, braucht er Zutaten aus dem Afroshop in Berlin. Weder den Einkauf dort noch den Fahrschein kann er mit Gutscheinen bezahlen. Auch Anwaltskosten, Telefonkarten, Alkohol, Spielwaren oder Tabak müssen bar bezahlt werden.

„Einlösbar für Nahrungsmittel, Schreib-, Hygiene- und Reinigungsartikel, Wäsche sowie Hausrat von geringem Anschaffungswert, Bekleidung, Schuhe“ steht auf den Scheinen, daneben der Euro-Betrag. Wer nicht passend zahlen kann, hat Pech gehabt: Nur bis zu zehn Prozent Restgeld dürfen die Kassierer rausgeben. Auch Sparen können die Flüchtlinge nichts, denn nach einem Monat sind die Gutscheine abgelaufen.

Kizito hat schon zahlreiche Demonstrationen mitorganisiert und an Protesten teilgenommen. Im Juni 2012 wurden er und seine Mitstreiterin Tannaz Bidary für ihren Einsatz gegen Gutscheine mit dem „Band für Mut und Verständigung“ ausgezeichnet, kein Geringerer als Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) übergab die Auszeichnung. Als auch dies nichts genützt hat, startete Kizito eine Online-Petiton gegen die Gutscheinpraxis.

Die Petition richtet sich auch an den Landrat von Oberhavel, Karl-Heinz Schröter (SPD). Dennoch bleibt dieser auf Nachfrage bei seiner Position. „Gegen die generelle Ausgabe von Bargeld sprechen das Asylbewerberleistungsgesetz sowie rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen“, lässt er mitteilten.

Die Flüchtlingsorganisationen sind anderer Meinung. So ist für Simone Tetzlaff von der Hennigsdorfer Asylberatung klar: „Die Gutscheinpraxis ist nur eine der vielen Methoden, um Flüchtlinge in Brandenburg auszugrenzen“, sagt sie. Auch rechtlich sehen viele keine Probleme, wie etwa der Flüchtlingsrat Brandenburg.

Zumal sogar Brandenburgs Sozialminister Günter Baaske – wie Schröter SPD-Mitglied – 2011 mit einem Runderlass klargestellt hat, dass Auszahlung von Bargeld rechtskonform ist. „Alle Kreise und kreisfreien Städte, die Geld an Asylbewerber auszahlen, handeln rechtskonform“, teilte Baaske damals mit. Er wünsche sich sogar ausdrücklich, dass in ganz Brandenburg Bargeld Vorrang erhalte. Das Gutscheinsystem sei „ungeeignet, zu teuer und auch diskriminierend“. Doch solange die Landräte sich weigern, bleibt alles beim Alten.

Mancherorts gibt es mittlerweile eine Art Tauschmodell, bei dem Unterstützer mit den Flüchtlingen zum Einkaufen gehen. Sie bezahlen mit den Gutscheinen und geben den Flüchtlingen anschließend den Gegenwert in bar. Auch die Bewohner des Asylbewerberheims in Hennigsdorf werden einmal pro Woche so unterstützt. Doch Kizito weiß, dass das keine dauerhafte Lösung ist. Schon jetzt entwickle sich Streit unter den Bewohnern des Asylbewerberheims, wer am meisten Gutscheine eintauschen darf, sagt er. Kizito hofft, dass sein Engagement eines Tages belohnt wird. Auch wenn er selbst dann vielleicht gar nicht mehr in Deutschland sein darf. Katharina Wiechers

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