Von Claus-Dieter Steyer: Auferstanden aus dem See
Zum Besuch von Kanzler Schmidt ließ Honecker 1981 das Café Wildau abreißen. Nun steht es wieder
Stand:
Werbellinsee - Für die Arbeiter der Abrissfirma musste es im Dezember 1981 in der Schorfheide plötzlich sehr schnell gehen. Die seit Jahren geschlossene und verfallene Ausflugsgaststätte „Cafe Wildau“ am Werbellinsee sollte über Nacht verschwinden. „Wir schieben den ganzen Mist in den See“, lautete das Kommando. Am Ende lag das Lokal samt Ziegeln und Fenstern auf dem Grund des Gewässers.
Erst einige Tage später erfuhren die Arbeiter aus der Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ den Grund für die Hektik. Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte sich mit Erich Honecker auf Schloss Huberstusstock getroffen. Für den Fall, dass Schmidt Lust auf eine Spazierfahrt bekommen hätte, wollte man in der Umgebung aufräumen: Der Kanzler sollte keine Ruinen zu Gesicht bekommen. Und so verschwand das Café in dem von Theodor Fontane zum „Märchenplatz“ gekrönten Werbellinsee.
Die Episode wäre wahrscheinlich vergessen worden, wenn nicht an alter Stelle in diesem Jahr ein Hotel mit der historischen Fassade des alten „Cafe Wildau“ eröffnet hätte. Die Bauherrin traute zuerst ihren Augen nicht. „Wir fanden am Ufer nicht nur viele originale Steine, sondern auch Tassen und Teller der alten Einrichtung“, sagt Carmen von Hertzberg. Sie sei erstaunt gewesen, wie viele Leute in der Umgebung sich noch an das „Cafe Wildau“ erinnern konnten. Deshalb habe auch nie ein anderer Name zur Debatte gestanden, obwohl das kleine Dorf Wildau etwas entfernt liegt und eine Verwechslungsgefahr mit dem bekannteren Ort gleichen Namens am südöstlichen Berliner Stadtrand bestehe.
Rund 2,4 Millionen Euro haben Carmen von Hertzberg und ihr als Geschäftsmann in Eberswalde arbeitender Ehemann in die Wiederbebung der Ausflugsgaststätte gesteckt. Die Lage direkt am See ist freilich unbezahlbar. Auf ihn fällt der Blick auch aus dem Ruheraum der Sauna. Gleich hinter dem Grundstück verläuft der gut ausgebaute Radfernweg Berlin-Usedom, nebenan können Kanus ausgeliehen werden und der Dampfer der Fahrgastschifffahrt legt am eigenen Steg vor der großen Terrasse an.
Der erste Eigentümer des Hauses war ein Fabrikbesitzer, der in der Schorfheide zu Reichtum gelangt war. Johann Bernoulli, Chef eines Zementwerks mit 300 Arbeitern, ließ sich 1827 eine Villa bauen. Doch die Rohstoffe reichten nur bis 1894. Zu dieser Zeit suchte Kaiser Wilhelm II. nach einer weiteren Unterkunft für seine Jagdgäste und stieß schließlich auf die leerstehende Fabrikantenvilla. Nach dem Ende der Kaiserzeit 1918 zog zunächst die Forstverwaltung in das Anwesen, ehe es sich bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zu einem der schönsten Sonntagsausflugsziele für Berliner entwickelte. Daran versuchte zu DDR-Zeiten die HO (Handelsorganisation) anzuknüpfen, aber es fehlte an Geld und Material. Der schlechte Zustand des Lokals führte 1974 zur zwangsweisen Stilllegung. Selbst für die Beseitigung der Ruine war kein Geld vorhanden – bis 1981 der Bundeskanzler seinen Besuch ankündigte.
Völlig verlassen fanden die neuen Café-Besitzer das Grundstück aber nicht vor. „In dem damals nicht mit in den See geschobenen Keller hatten sich im Laufe der Zeit aber wertvolle Fledermäuse ein Zuhause geschaffen“, sagt Geschäftsführerin Carmen von Hertzberg. „Die mussten gerettet werden und deshalb gab es die Baugenehmigung nur gegen unsere Zusicherung, ein neues Fledermausquartier zu bauen.“ Das steht heute ein paar Schritte neben der Sauna auf dem weitläufigen Gelände und wird von den Tieren dankbar angenommen.
Weitere Infos im Internet:
www.cafe-wildau.de
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