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Brandenburg: Aufstand gegen Rätzel

Ihre Wahl zur Oberbürgermeisterin war ein Fehler, sagen heute viele – jetzt soll sie abgewählt werden

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Cottbus - Oberbürgermeisterin Karin Rätzel klatschte am vergangenen Mittwoch als einzige Beifall. Dabei hatten die Cottbuser Stadtverordneten gerade einen Bürgerentscheid zu ihrer Abwahl beschlossen. 41 Abgeordnete waren dafür, nur sechs dagegen, einer enthielt sich.

Am 2. Juli können die Cottbuser nun ihr Stadtoberhaupt in die Wüste schicken. Die Parlamentarier haben das schon einmal getan: 2000 wählten sie die damalige Finanzdezernentin Rätzel ab. Sie warfen ihr „Unfähigkeit“ sowie „anmaßende und ehrverletzende Äußerungen in der Öffentlichkeit“ vor. Dass sie zwei Jahre später als parteilose Kandidatin die Oberbürgermeisterwahl gewann, war eine Überraschung. 66 Prozent der Wähler hatte Karin Rätzel mit ihrer Ankündigung überzeugt, sie wolle den vermeintlichen Filz in der Stadtverwaltung beenden, die Innenstadtentwicklung vorantreiben und überhaupt für frischen Wind sorgen.

Doch vier Jahre später herrscht in Cottbus eher Flaute – in nahezu jeder Beziehung. Bürger, Verwaltungsangestellte und Stadtverordnete werfen der Oberbürgermeisterin schlechten Führungsstil vor. Außerdem habe sie die Versprechen, die sie bei ihrem Amtsantritt vor vier Jahren gab, nicht gehalten: Die Entwicklung der Innenstadt stagniere, geplante Großprojekte seien nicht verwirklicht worden und neue Investoren nicht in Sicht.

„In den vergangenen Monaten sind wir Stadtverordneten immer wieder von Bürgern angesprochen worden, die bedauerten, dass sie Karin Rätzel gewählt haben“, sagt der Vorsitzende der Cottbuser SPD-Fraktion, Reinhard Drogla: „Sie forderten eine Möglichkeit, diese Entscheidung zu revidieren. Es gab auch viele Leserbriefe in den Zeitungen. Jetzt haben wir durch unseren Beschluss den Cottbusern die Möglichkeit eröffnet, Frau Rätzel abzuwählen.“ Drogla konstatiert vor allem eine „absolut negative Stimmung“ in der Stadt, die in viele kleine, gegeneinander arbeitende Interessengruppen zersplittert sei, die Leute seien genervt. „Wir brauchen wieder ein Stadtoberhaupt, das integrieren und vor allem motivieren kann“, sagt er.

Karin Rätzel kann sich über solche Worte nur wundern. Die Stimmung in der Stadt sei doch gut, sagt sie. „Gehen Sie mal auf den neu gestalteten Altmarkt. Da sitzen die Menschen draußen in der Sonne und freuen sich.“ Gerade habe man den ersten Spatenstich für ein neues Bad- und Saunazentrum getan und die vor der Insolvenz stehenden Stadtwerke gerettet.

Der Vorwurf ihrer Gegner, dass diese „Rettung“ in Form eines millionenschweren Sanierungspaketes letztlich von den Cottbuser Bürgern bezahlt werden muss, ficht Karin Rätzel ebenso wenig an wie die Kritik aus ihrer eigenen Verwaltung. „Schlimmer kann es nicht werden“, sagen viele ihrer Angestellten hinter vorgehaltener Hand. Die Finanzsituation sei desolat, die Oberbürgermeisterin mische sich in alles ein – „oft ohne den nötigen Sachverstand“.

Rätzel glaubt, dass hinter solchen Äußerungen nur der Frust vieler Angestellter steckt. „Ich habe natürlich manche unpopuläre Personalentscheidung treffen müssen – auch um die Kosten zu reduzieren“, sagt sie. Aber eigentlich ist sie relativ sicher, dass sie im Amt bleiben wird.

Der Gesetzgeber hat die Hürde für die Abwahl eines Oberbürgermeisters sehr hoch gesetzt: Eine Mehrheit der abstimmenden Personen, mindestens jedoch ein Viertel der wahlberechtigten Bürger muss für die Abberufung stimmen. Dieses Viertel beträgt in Cottbus 22 000 Stimmen. Dass am 2. Juli überhaupt 22 000 Menschen zur Wahlurne kommen, ist zweifelhaft – auch weil bislang die Alternativen fehlen. Die Cottbuser Parteien haben deshalb angekündigt, in den nächsten Wochen ihre Kandidaten für das Amt zu präsentieren.

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