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Brandenburg: Aus dem Schatten der Erinnerung

Die Gedenkstätte Sachsenhausen erinnert mit bislang nie gezeigten Fotos an die Massenermordung sowjetischer Kriegsgefangener. Es geht auch um Lücken in der Gedenkkultur

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Oranienburg - Es ist der Abschluss eines schwierigen Gedenkjahres, das selbst kaum wahrzunehmen war. Vor 75 Jahren überfiel Nazi-Deutschland die Sowjetunion und entfesselte ein unfassbares Morden, einen Vernichtungsfeldzug. Doch im öffentlichen Bewusstsein spielt dieses Verbrechen im Gegensatz zu den vielen anderen – die Schoah, die Euthanasie, die Morde an Sinti und Roma – kaum eine Rolle. Das findet zumindest Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und Leiter der Gedenkstätte im früheren KZ Sachsenhausen in Oranienburg.

Dort eröffnet Morsch am Sonntag eine Sonderausstellung mit dem Titel „Die Exekutionen müssen unauffällig im nächstgelegenen Konzentrationslager durchgeführt werden“. Mit ihr wird das Gedenkjahr beschlossen – und es ist doch einen Höhepunkt. Sie erinnerte an die Ermordung von mehr als 10 000 sowjetischen Kriegsgefangenen vor 75 Jahren in Sachsenhausen. Im Mittelpunkt der Dokumentation über die größte Massenmordaktion im KZ Sachsenhausen stehen 68 bislang nicht gemeinsam in Serie veröffentlichte Fotos der NS-Opfer. Sie zeigen die entkräfteten und in zerlumpten Uniformen gekleideten sowjetischen Kriegsgefangenen unmittelbar vor ihrer Hinrichtung im November 1941. Die Fotos wurden auf leichten Fahnenstoff gedruckt, die Opfer erscheinen den Besucher in Körpergröße Aug in Aug. „Die 68 Fotos sind zweifellos die bedeutendsten fotografischen Dokumente aus dem KZ Sachsenhausen“, sagte Morsch.

Häftlinge, die die Bilder beim Erkennungsdienst der Politischen Abteilung des KZ entwickeln mussten, schmuggelten die Aufnahmen unter Lebensgefahr im April 1945 aus dem Lager. Die Aufnahmen seien von den Nationalsozialisten zu Propagandazwecken angefertigt worden, hieß es. Die Nazis wollten mit den Fotos „slawischer Untermenschen“ ihren laut Morsch „rassistischen, antibolschewistischen und antisemitischen“ Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion rechtfertigen. Die Originale werden heute im tschechischen Staatsarchiv in Prag und im Mährischen Museum Brünn aufbewahrt.

Morsch sagte: „Anders als von den Nazis beabsichtigt, erwecken die Bilder beim Betrachter jedoch keine Abscheu vor den dargestellten Kriegsgefangenen. Die Gesichter der wenig später rücksichtslos ermordeten Menschen erregen vielmehr Anteilnahme und Mitgefühl.“

Zur Eröffnung der Ausstellung werden am Sonntag auch Vertreter der Botschaften der Ukraine, Weißrusslands und Kasachstans in der Gedenkstätte erwartet. Die Ausstellung „Die Exekutionen müssen unauffällig im nächstgelegenen Konzentrationslager durchgeführt werden“ ist bis zum 18. Juni 2017 zu sehen. Die Ausstellung dokumentiere dies auch mit Plakaten und Broschüren, in denen Motive der Bilder verwendet wurden.

Am 22. Juni 1941 überfiel das nationalsozialistische Deutschland die Sowjetunion und entfesselte einen Vernichtungskrieg mit am Ende 27 Millionen sowjetischen Kriegstoten. Nach Oranienburg, wo die „Inspektion der Konzentrationslager“ die gesamte Mordaktion organisierte und plante, transportierte die Wehrmacht von September bis November 1941 mehr als 13 000 sowjetische Kriegsgefangene. Mehr als 10 000 von ihnen wurden dort innerhalb weniger Wochen in einer automatisierten „Genickschussanlage“ ermordet. mit epd, dpa

Die Ausstellung „Die Exekutionen müssen unauffällig im nächstgelegenen Konzentrationslager durchgeführt werden“ wird am Sonntag, dem 6. November, um 16 Uhr in der Gedenkstätte Sachsenhausen eröffnet und ist bis zum 14. März dienstags bis sonntags von 8.30 bis 16.30 Uhr, ab dem 15. März dienstags bis sonntags von 8.30 bis 18 Uhr zu sehen. Internet: www.stiftung-bg.de

nbsp;Alexander Fröhlich

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