Berlin: Autonome vertreiben Guggenheim aus Kreuzberg
New Yorker Stiftung sagt Openair-Lab nach Drohungen ab. Innensenator: Chaoten sind Standortrisiko
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Berlin - Linken Extremisten ist es offenbar gelungen, das „BMW Guggenheim Lab“ in Berlin-Kreuzberg zu verhindern. Nach Informationen dieser Zeitung will die New Yorker Guggenheim-Stiftung das Projekt absagen. Eine offizielle Stellungnahme des international engagierten Kulturorganisation lag bis zum Redaktionsschluss nicht vor. Hintergrund der Absage sind dem Vernehmen nach die zahlreichen Gewaltandrohungen der linken Szene gegen das Lab. Im Internet wurden bereits mehrere Aufrufe veröffentlicht, das Projekt zu „verhindern“. Auf einer der letzten Brachgrundstücke am Kreuzberger Spreeufer, Schlesische Straße/Ecke Cuvrystraße, sollte während der Sommermonate in einem temporären Zeltbau ein Mix aus urbaner Ideenschmiede, Forschungslabor und Diskussionsforum entstehen.
Das Landeskriminalamt hat Ende der vergangenen Woche eine Gefährdungsanalyse zu diesem Projekt erstellt. Darin heißt es, dass Sachbeschädigungen zu erwarten seien, falls es keinen ständigen Wachschutz durch die Organisatoren geben würde. Zudem werden Störungen von Veranstaltungen in dem Gebäude befürchtet. Im Lab sollten „Lösungsvorschläge für die Zukunft von Metropolen“ entwickelt werden. Geplant sind neun Standorte weltweit in sechs Jahren.
Der linksextremen Szene passt das nicht. In einem Aufruf heißt es: „Für den Kiez bedeutet das geplante Lab eine weitere Aufwertung und eine Beschleunigung der ohnehin schon rasanten Mietsteigerungs- und Verdrängungsspirale. BMW hofft auf einen fetten Image-Zugewinn, und der Grundstückseigentümer natürlich auf eine schöne Wertsteigerung seines Grundstückes, auf dem in nicht so ferner Zukunft Luxuswohnungen entstehen sollen.“ Mittlerweile gibt es eine eigene Internetseite der Gegner.
Die Analyse des polizeilichen Staatsschutzes sieht den zweistöckigen Gebäude aus zwei Motiven als potenzielles Anschlagsziel: So sieht die Szene hier eine „Gentrifizierung“, also die langfristige Verdrängung der Mieter durch steigende Mieten. Dem BMW-Konzern wird außerdem vorgeworfen, im Zweiten Weltkrieg Rüstungsgüter hergestellt und dazu eingesetzte Zwangsarbeiter bis heute nicht ausreichend entschädigt zu haben. Zuletzt hatte die Polizei in der vergangenen Woche Kontakt mit den Organisatoren.
Innensenator Frank Henkel (CDU) nannte den möglichen Rückzug einen „Verlust für Berlin“. Der Grund für die Absage sei „beunruhigend“: „Diese Chaoten sind ein Standortrisiko für Berlin“. Auch Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) bedauert das mögliche Aus: „Das Lab ist ein Gewinn für die Stadt“, gerade weil dort auch kritische Stimmen und experimentelle Thesen beim Thema Stadtentwicklung einbezogen werden sollten. Ende dieser Woche sollte mit dem Aufbau begonnen werden. Schulz sprach von einem „Einknicken“ vor Gewalttätern, dies sei „falsch“.
Das Grundstück direkt an der Spree steht seit Jahren im Fokus linker Aktivisten. Bereits im Juni 2010 war die Brache im Anschluss an eine „Media-Spree entern“-Demonstration von besetzt worden. Anfang März hatten Aktivisten die erste Veranstaltung des Labs mit Kreuzberger Anwohnern massiv gestört. Bürgermeister Schulz sprach von einem „sehr konfliktbeladenen“ Abend.
Das BMW Guggenheim Lab sollte ursprünglich vom 24. Mai bis 29. Juli nahe dem Schlesischen Tor gastieren. Berlin sollte die zweite Station des Projekts auf seiner Tour rund um den Globus sein, anschließend sollte es nach Mumbai weiterziehen. In Berlin war ursprünglich Prenzlauer Berg als Standort im Gespräch gewesen, entweder das Pfefferberg-Areal oder ein Grundstück an der Kastanienallee. Im Januar dieses Jahres hatte ein Sprecher von BMW die Verlegung nach Kreuzberg damit begründet, dass dort mehr Platz sei. Kreuzberg biete „die ideale Basis zur Entwicklung von Programmen, Workshops und anderen Veranstaltungen“, hatte BMW damals mitgeteilt. Dem Vernehmen nach sei Guggenheim als jüdische Stiftung besonders sensibel gegenüber Störungen, egal ob sie aus der rechten oder der linken Szene stammen. Dies soll die Entscheidung beeinflusst haben. Allerdings hatte es auch an der ersten Station des Labs in New York zahlreiche Proteste von Gentrifizierungsgegnern gegeben.
Erstmals kapituliert ein renommiertes Projekt damit vor Linksextremisten. Immer wieder hatte es in den vergangenen Jahren Angriffe auf Bauprojekte gegeben. Vor allem die O2-World an der Spree in Friedrichshain ist ständig Ziel von politisch motivierten Sachbeschädigungen. Die Eröffnung der Sporthalle im September 2008 musste von mehreren Hundertschaften der Polizei geschützt werden.
Aktuell wird der Autokonzern Daimler-Benz vom Landeskriminalamt beraten. Dieser plant neben der O2-Halle den Bau seiner neuen Vertriebszentrale. Ein erstes Sicherheitsgespräch habe es schon gegeben, hieß es im Präsidium. Heftige Anfeindungen war im Jahr 2007 auch McDonald’s ausgesetzt, weil die Restaurantkette gewagt hatte, in Kreuzberg eine Filiale zu eröffnen. Nicht mehr zu zählen sind die Attacken mit Farbbeuteln, Steinen oder Brandsätzen auf Neubauten, wie beispielsweise auf das „Carloft“ in der Reichenberger Straße. Das Lab-Grundstück an der Spree gehört dem Münchener Unternehmen „Ritter – Finest Real Estate“. Es plant dort nach eigenen Angaben Wohnungen, Einzelhandel und Büros. Gentrifizierungsgegner sprechen von einem „Kommerz-Scheiss-Luxus-Projekt“ an der Cuvrystraße. Das Grundstück ist zwar eingezäunt, wird aber gerne zum Feiern, Trinken und Abhängen genutzt.
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