Brandenburg: Autos aus der City raus?
Brandenburgs Grüne fordern Stadtexpress-Linien für Pendler von Brandenburg nach Berlin / Berlins Umweltsenatorin: Umweltzone nur Etappenziel. Noch strengere Regelungen wegen neuer EU-Vorgaben?
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Berlin/Falkensee - Auf Pendler und Firmen, die aus Brandenburg nach Berlin zur Arbeit oder Baustellen bzw. Lieferanten müssen, kommen in den kommenden Jahren erheblich Belastungen zu. Zum einen wird ab kommendem Jahr in Berlin die Umweltzone eingerichtet – innerhalb des S-Bahn-Rings dürfen dann nur noch Fahrzeuge mit einer Umweltplakette verkehren. Und: Berlins Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) sieht in der Einrichtung der Umweltzone nur eine Etappe auf dem Weg zu einer notwendigen Wende in der Berliner Verkehrspolitik – weg vom Auto. Die Umweltzone, die ab 2008 innerhalb des S-Bahn-Rings eingerichtet wird, soll durch Fahrverbote vor allem die Belastung der Luft mit gesundheitsschädlichem Feinstaub verringern. Lompscher aber stellt das Auto als Verkehrsmittel in der City insgesamt infrage. Als langfristiges Ziel nennt sie: „Mobilität erhalten – Autofahren vermeiden.“
Ähnlich sehen es auch Brandenburgs Grüne, die am Samstag in Falkensee zwei Papiere zur Verkehrspolitik verabschiedet haben. Darin fordern sie eine grundsätzliche Wende in der Verkehrsplanung in der Region Berlin-Brandenburg. So fordern die Grünen die Einrichtung so genanter Stadtexpress-Linien. Mit denen sollen Pendler aus Brandenburg überzeugt werden, ihr Auto stehen zu lassen und auf die Bahn umzusteigen. Gleichzeitig könne so Berlin zum Verkehrsknoten für Brandenburg werden, so Landeschef Axel Vogel: „Damit sollen die Städte im Speckgürtel über den Knotenpunkt Berlin besser verbunden werden.“
Die Stadtexpresse sollten Pendler auf durchgehenden Linien wie Eberswalde-Potsdam oder Fürstenwalde-Nauen zügig ins Berliner Zentrum bringen, ohne dass diese auf S-Bahnen umsteigen müssen. Gleichzeitig wären die brandenburgischen Städte über Berlin besser miteinander verbunden und für Berliner besser erreichbar.
Die Grünen fordern außerdem kostenlose und ausreichende Plätze für Fahrräder in den Nahverkehrszügen. Die teure Fahrradmitnahme und die begrenzten Fahrradplätze in den Zügen werden seit Jahren auch von Fahrgast- und Tourismusverbänden kritisiert.
Neue Umsteigeanreize für Berufspendler werden wohl auch nötig werden: Denn neben dem Feinstaub, den Berlin mit der Umweltzone begrenzen will, kommen weitere Probleme auf die Berliner Verwaltung zu: Im Jahr 2010 tritt eine EU-Verordnung zu den giftigen Stickoxiden in Kraft, die vor allem durch Verbrennungsmotoren entstehen. Hier überschreitet Berlin den künftigen Grenzwert fast täglich. Umweltsenatorin Lompscher setzt darauf, dass die ab 2010 geltende Verschärfung der Umweltzone dieses Problem lindert.
Mindestens ebenso kompliziert dürfte es beim Thema Lärm werden, zu dem die EU ebenfalls Vorgaben macht. Am Freitag will die Verwaltung ihren „Lärmatlas“ präsentieren. Nach bisherigen Informationen wohnen mehr als 300 000 Berliner in ungesund lauter Umgebung. Hauptverursacher dafür sind Straßen- und Bahnverkehr.
Wirksame Gegenmaßnahmen dürften in den kommenden Jahren zur politischen Herkulesaufgabe werden. Denn die Betroffenen leisten schon jetzt heftigen Widerstand. ADAC-Vorstand Eberhard Waldau kündigte am Samstag bei einer Diskussion mit Lompscher an, der Automobilclub wolle Klagen seiner Mitglieder gegen Regelungen der Umweltzone unterstützen. Und Berlins CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger forderte Übergangsfristen bis 2012 für die Fahrzeuge von kleineren Betrieben, die die ab 2008 geforderten Abgasnormen nicht erfüllen. Lompscher sagte zu dem Vorschlag, dass er zu spät komme, weil der Rahmen schon 2004/2005 erarbeitet wurde. Damals seien auch Handels- und Handwerkskammer beteiligt gewesen, die die Regelung jetzt kritisieren.
Weil viele Kleinlaster die geforderten Abgasstandards verfehlen, sind Gewerbetreibende aus Berlin und Brandenburg besonders betroffen. Sie müssen ihre Autos – sofern das möglich ist – mit Filtern nachrüsten, ein neueres Fahrzeug kaufen oder bei einem Bezirksamt eine befristete Ausnahmegenehmigung beantragen, die zwischen 25 und 100 Euro kostet. Im Bezirksamt von Mitte, das vollständig in der Umweltzone liegt, werden ab Montag 36 Mitarbeiter für die Bearbeitung der Anträge bereitstehen.
Die Feinstaubbelastung war in diesem Jahr bisher auffällig niedrig: Der Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wurde nirgends in Berlin öfter als 18 Tage überschritten. Dieser Wert war 2006 schon im März erreicht, weil damals trockenes Winterwetter mit Ostwind herrschte, der Straßenstaub aufwirbelte und Abgase aus polnischen Kraftwerken in die Stadt wehte.Stefan Jacobs (mit dpa und pet)
Infos zu Umweltzone und Plaketten:
www.berlin.de/umweltzone
Stefan Jacobs (mit dpa, pet)
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