Von Alexander Fröhlich: Babyleiche im Garten verscharrt
Jüterbog ist entsetzt über den Fund inmitten einer gepflegten Wohnsiedlung / Die Eltern des Kindes stehen unter Mordverdacht
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Jüterbog - Die Ermittler wissen noch nicht einmal, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Im brandenburgischen Jüterbog (Teltow-Fläming), eine Autostunde südlich von Berlin, haben sie in einem Garten eine Babyleiche gefunden. Die 37-jährige Mutter und ihr 34 Jahre alter Ex-Partner stehen unter Mordverdacht und sitzen seit Sonntagabend in Untersuchungshaft. Die drei Kinder im Alter von drei bis 17 Jahren hat das Jugendamt in Obhut genommen, sie werden psychologisch betreut.
„Die Obduktion der Leiche gestaltet sich schwierig“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam. Ob die Rechtsmediziner überhaupt zu einem Ergebnis kommen, ist völlig ungewiss. Die Überreste des Babys sind stark verwest. Eine Bekannte der Mutter hatte die Polizei am Samstag über den Fall informiert – und dass sich die Frau stellen wollte. 30 Beamte rückten an und machten inmitten der beschaulichen Wohnsiedlung mit gepflegten Gärten und viel Grün den grausigen Fund. Nun wird wegen Mordes aus niederen Beweggründen ermittelt.
Nach bisherigem Stand soll Kirsten H. das Kind 2009 in der Doppelhaushälfte zur Welt gebracht haben. Marcel T. soll dann das Kind direkt nach der Geburt genommen und in einer Ecke des Gartens an einer Schuppenwand verscharrt haben. Ob das Kind noch gelebt hat, ist bislang aber unklar. Die Eltern schweigen sich dazu aus, hieß es aus Ermittlerkreisen. Kurz nach dem Vorfall sollen sich beide getrennt haben, Kirsten H. war kurzzeitig in einem Frauenhaus untergekommen, hieß es.
Bei den Behörden ist die Frau durchaus bekannt. Seit 2004 hält das Jugendamt Kontakt in einem familiengerichtlichen Verfahren zu ihr. Es geht um Sorge- und Umgangsfragen für ihre zwei älteren Kinder, die 17 und 9 Jahr alt sind. Das Jüngere von beiden, ein Mädchen, war im Juli 2006 aus dem sechsten Stock eines Plattenbaus gestürzt und überlebte schwer verletzt. Die Mutter war damals nicht daheim, sondern tanzen.
Ein Ermittlungsverfahren dazu wurde aber eingestellt. „Wir haben eine Beratung aufgenommen und Hilfestellungen angeboten“, sagte Horst Bührendt, Dezernent für Jugend und Schule im Landratsamt von Teltow-Fläming. Eine Kindeswohlgefährdung sei damals nicht festgestellt worden, weshalb die Familie auch nicht zum Betreuungsfall wurde. Dass die Frau 2009 wieder – mit ihrem vierten Kind – schwanger war, „war für uns nicht ersichtlich“, sagte Bührendt. Die zuständige Mitarbeiterin im Jugendamt habe bei Hausbesuchen und Gesprächen nichts bemerkt, auch in Kita und Schule fiel dem Personal an Kirsten H. nichts auf.
Nach einer ersten Durchsicht der Akten seien auch keine Versäumnisse festzustellen, sagte Bührendt. „Wir werden den Fall aber noch intensiver prüfen, auch mit Blick auf andere Verfahren“, erklärte der Dezernent. Nachbarn berichten, wenn ein Besuch von Mitarbeitern des Jugendamts anstand, habe Marcel T. eifrig Haus und Garten aufgeräumt. In der Siedlung gilt er als aggressiv, die Mutter soll ein Alkoholproblem haben. Anwohner berichten zudem, dass sich beide regelmäßig lautstark und gewalttätig gestritten haben sollen. Sogar die Polizei musste einschreiten.
Der Bürgermeister von Jüterbog, Bernd Rüdiger (FDP), reagierte entsetzt auf den Fall. Er kenne die Familie vom Sehen, habe aber nie etwas Auffälliges bemerkt. Jugendamtschef Bührendt sagte: „Wir sind entsetzt und schockiert über diese Tragödie.“
Der Fall weckt schlimme Erinnerungen: In Brieskow-Finkenheerd wurden 2005 neun Babyleichen in Eimern und Blumenkübeln gefunden, die Mutter wurde wegen Totschlags zu 15 Jahren Haft verurteilt.
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