Brandenburg: Bahnchaos: Umland fordert Ausgleich von S-Bahn
Einige brandenburgische VBB-Unternehmen spüren Folgen des Berliner S-Bahnchaos deutlich
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Berlin – Das monatelange S-Bahnchaos könnte für die S-Bahn Berlin GmbH noch weitreichendere finanzielle Folgen haben als bisher bekannt. Die Woltersdorfer Straßenbahn GmbH verlangt als Mitglied des Verkehrsverbunds Berlin Brandenburg (VBB) einen Ausgleich für absehbare Umsatzeinbußen als Folge der monatelangen Verkehrsprobleme. Bei dem Unternehmen sind seit dem Frühsommer die Fahrgastzahlen von 2000 am Tag um rund 20 Prozent eingebrochen. Die Straßenbahn GmbH gehört je zur Hälfte dem Landkreis und der Gemeinde.
„Aufgrund der eingeschränkten S-Bahnanbindung sind viele Pendler aufs Auto umgestiegen“, sagte Bürgermeister Wolfgang Höhne (parteilos) der Nachrichtenagentur ddp.
Ähnliche Erfahrungen haben auch andere Mitglieder des aus 42 Unternehmen bestehenden VBB gemacht. Bei der Verkehrsbetrieb Potsdam GmbH heißt es, es seien Stammkunden verloren gegangen. Außerdem werde das Wachstum, das bisher bei rund acht Prozent im Jahr gelegen habe, 2009 nur etwa zwei Prozent erreichen. „Die Frage der Kompensation kommt da natürlich schon auf“, sagte VBB-Chef Hans-Werner Franz.
Die Anbieter fürchten vor allem, bei der Einnahmenverteilung künftig schlechter abzuschneiden. Alle drei Jahre führt der VBB eine Verkehrszählung durch. Dem Ergebnis entsprechend werden die VBB-Einnahmen auf die Unternehmen verteilt. „Die nächste Zählung steht in der ersten Hälfte des kommenden Jahres an. Da besteht die Gefahr, dass wir die Fahrgastverluste noch längst nicht wieder ausgeglichen haben. Und wenn die Zahlen sinken, drohen uns für die nächsten Jahre geringere Anteile an den Gesamteinnahmen“, erklärt Bürgermeister Höhne.
Die Sorge ist berechtigt. Für den Verteilungsschlüssel wäre die Entwicklung nur dann unbedeutend, wenn alle VBB-Mitglieder in gleichem Maße Fahrgäste verlieren würden. Dann blieben die prozentualen Anteile gleich. Tatsächlich aber werden sich die Verhältnisse ändern. Mehrere Verkehrsunternehmen erklärten auf ddp-Nachfrage, dass sie gar nicht oder nur in geringem Maße unter den S-Bahnproblemen leiden. Der Geschäftsführer der Regionalen Verkehrsgesellschaft Dahme-Spreewald (RVS), Gerd-Peter Lehmann, etwa sagte: „Die S46 nach Königs Wusterhausen ist auch in den vergangenen Monaten weitgehend planmäßig gefahren. Wir haben daher kaum Nachteile gespürt.“
Schlägt sich dies entsprechend in der geplanten Verkehrszählung nieder, verliert die Woltersdorfer Straßenbahn beispielsweise gegenüber dem RVS relativ an Gewicht und an Einnahmen. Die Woltersdorfer Gemeindevertretung verabschiedete deshalb erst kürzlich eine Resolution, in der sie unter anderem fordert: „Eventuelle finanzielle Einbußen durch geringere Fahrgastzahlen müssen vollständig von der S-Bahn Berlin GmbH übernommen werden.“
Beim VBB verweist Franz darauf, dass der Verkehrsverbund in die Verteilung der Gelder nicht eingreifen könne: „Das richtet sich nach einem Vertrag, den die Unternehmen gemeinsam geschlossen haben. Wir setzen den Vertrag neutral um.“ Bisher haben Umsatzverschiebungen durch Streiks oder kurzfristige technische Probleme nie zu vergleichbaren Diskussionen geführt. Da jedes Unternehmen einmal Probleme haben kann, gingen die Beteiligten bisher davon aus, dass sich die Belastungen langfristig ausgleichen.
Damit, dass ein Schlüsselunternehmen des VBB über Monate hinweg nur ein eingeschränktes Angebot fahren könnte, hatte bisher allerdings niemand gerechnet. In dem Vertrag über die Einnahmeverteilungen gibt es dementsprechend auch keine Regelung für Schadensregulierungen in einem solchen Fall. Ein finanzieller Ausgleich für Fahrgastverluste scheint nur über eine Einigung unter allen VBB-Mitgliedern möglich zu sein.
Höhne sagt offen, dass die Höhe der drohenden Verluste noch nicht zu beziffern sei. Aber er verlangt grundsätzliche Antworten von der S-Bahn Berlin: „Ich möchte wissen, wie, wann und von wem Schäden ausgeglichen werden.“ Ein S-Bahnsprecher betonte auf Anfrage, dass das Unternehmen die Woltersdorfer Straßenbahn jeweils so schnell wie möglich über Veränderungen der Situation informiert habe. Die S-Bahn sei „alle Wege gegangen, die in einer Krise zu gehen sind“. Olaf Jahn
Olaf Jahn
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