Trinkwasser in Frankfurt (Oder): Bergbausanierer rechnet Verantwortung klein
Frankfurt (Oder) - Wegen der steigenden Sulfatwerte der Spree infolge der Braunkohleförderung wird die Trinkwasserversorgung für den Großraum Frankfurt (Oder) immer prekärer. Mit einer Millionen-Investition will die Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft (FWA) jetzt das Schlimmste verhindern.
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Frankfurt (Oder) - Wegen der steigenden Sulfatwerte der Spree infolge der Braunkohleförderung wird die Trinkwasserversorgung für den Großraum Frankfurt (Oder) immer prekärer. Mit einer Millionen-Investition will die Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft (FWA) jetzt das Schlimmste verhindern. Als Sofortmaßnahme soll ein altes Wasserwerk reaktiviert und dadurch rund 20 Prozent belastetes Spreewasser durch sauberes Grundwasser ersetzt werden. Bezahlen sollen nach Ansicht von FWA-Geschäftsführer Gerd Weber diejenigen, die für den Sulfateintrag die Verantwortung tragen, der schwedische Staatskonzern Vattenfall, der in der Lausitz mehrere Tagebaue betreibt, und die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV), die im Auftrag des Bundes und des Landes stillgelegte Förderstätten saniert. Doch während Vattenfall bereits 45 Prozent der Kosten zugesagt hat, sperrt sich die LMBV, den gleichen Anteil zu zahlen. Sehr zu Webers Ärger: „Es kann doch nicht sein, dass die Bürger von Frankfurt (Oder) und Umgebung dafür die Kosten tragen müssen.“
Bislang wird das Trinkwasser für rund 65 000 Menschen im Raum Frankfurt (Oder) im Wasserwerk Briesen aufbereitet. Laut Weber stammen etwa 60 Prozent des Wassers aus der Spree und 40 Prozent aus dortigen Grundwasservorkommen. Weil die Sulfatwerte in der Spree zuletzt aber deutlich gestiegen sind und sich die Schwefel-Sauerstoff-Verbindungen nur mit hohen Kosten herausfiltern lassen, sucht die FWA wie berichtet schon länger nach Wegen, den Spreewasser-Anteil zu reduzieren. Im Umfeld von Briesen selbst darf aber laut wasserrechtlicher Erlaubnis nur eine begrenzte Grundwassermenge gefördert werden. Zumal die Gefahr besteht, dass aus benachbarten Schichten Salzwasser in die Vorkommen nachfließt, würde zu viel Grundwasser abgepumpt.
Problematisch ist zu viel Sulfat im Trinkwasser, weil es zu Erbrechen und Durchfall führen kann und die Korrosion von Leitungen und Beton befördert. Allerdings stellt sich die abführende Wirkung von Sulfat bei gesunden Menschen erst ab einem Wert von 500 Milligramm pro Liter ein. Für die Wasserwerke gilt jedoch ein Grenzwert von 250 Milligramm. Der aber könnte im Wasserwerk Briesen im schon im Herbst überschritten werden. Das zumindest hätten Hydrologen berechnet, so FWA-Chef Weber. Ein verregneter Sommer und Herbst könnten die Lage aber etwas entspannen, weil dann die Spree selbst wieder mehr Wasser führen und der Anteil des eingeleiteten sulfathaltigen Wassers damit sinken würde. Derzeit liegen die Spitzenwerte im Briesener Trinkwasser laut Weber bei 202 Milligramm pro Liter. Der Sulfatgehalt des Spreewassers am Wasserwerk sei von 250 Milligramm im Jahr 2012 auf jetzt 316 Milligramm gestiegen. „Es wird langsam eng.“
Deshalb will die FWA so schnell wie möglich Grundwasservorkommen im rund 20 Kilometer entfernten Müllrose anzapfen. Dafür aber müsste das dortige Wasserwerk umgebaut und eine Fernleitung nach Briesen gelegt werden. Veranschlagte Kosten: rund 6,2 Millionen Euro. Perspektivisch sollen auch jüngst entdeckte Grundwasserreservoirs in einem FFH-Gebiet bei Briesen genutzt werden. Doch bis die entsprechenden Planungen und Genehmigungen vorliegen, werde es sicher noch Jahre dauern, so Weber.
Die Sofortmaßnahme hat er im Februar dem Land, das zehn Prozent der Kosten trägt, und Vattenfall sowie der LMBV vorgestellt. Medienberichte, laut denen die LMBV bereits eine Zusage gegeben hatte, kann Weber zwar nicht bestätigen, allerdings wundere er sich, dass der Bergbausanierer „so zögert und sich zurückzieht“. Zumal es laut der brandenburgischen Grünen-Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock durchaus Signale aus der LMBV geben hat, sich beteiligen zu wollen, wenn Vattenfall ebenfalls zahlt.
Dies ist nun offensichtlich anders: „Der aktuelle Stand, den wir auch an das Land gemeldet haben, ist der, dass aus unserer Sicht die Sulfatbelastung an den Messpunkten des Landes und denen der LMBV nicht so hoch ist, dass eine Finanzierung derzeit rechtlich gerechtfertigt wäre“, sagt Uwe Steinhuber, Sprecher des bundeseigenen Bergbausanierers.
In einem Schreiben an Weber hat die LMBV zudem auf eine eigene Studie verwiesen, nach der die Sulfatwerte nicht mehr steigen, sondern weitgehend konstant bleiben werden. Ferner soll die Studie wohl belegen, dass der Eintrag aus dem Zuständigkeitsbereich der LMBV weit geringer ist als der in Verantwortung Vattenfalls. „Es ist skandalös, dass sich die LMBV kurz vor Verhandlungsende über die Maßnahmenfinanzierung mit Verweis auf eine für sie angefertigte Studie aus der Verantwortung ziehen möchte. Es müssen endlich verbindliche Finanzierungszusagen gemacht werden“, fordert Baerbock. Zumal die Zeit drängt, so Weber: „Je mehr sich der Bau verzögert, desto größer wird die Gefahr, dass der Grenzwert überschritten wird.“M. Matern
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