Von Susanne Vieth-Entus, Berlin: Berlin holt langsam auf
Trotz schwieriger Bedingungen: Schulqualität liegt inzwischen über dem OECD-Durchschnitt
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Berlin hat im Pisa-Ländervergleich seinen Platz im unteren Mittelfeld behauptet und bei den Leistungen einen leichten Fortschritt erreicht: „Erstmalig liegen die Ergebnisse im Lesen und in Mathematik im internationalen Durchschnitt, in der Naturwissenschaft sogar über dem OECD-Durchschnitt“, begründete Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) sein „zuversichtlich“ gestimmtes Resümee der aktuellen Bildungsstudie. Die Opposition hingegen bemängelte, dass der Fortschritt zu klein ausgefallen sei.
In der Skala der 16 Bundesländer arbeitete Berlin sich in der Mathematik von Platz 13 auf zwölf vor, beim Lesen von Platz zehn auf neun. Beim Thema Naturwissenschaft büßte Berlin zwar einen Rang ein und landete auf Platz elf, liegt aber mit seiner Gesamtpunktzahl immer noch deutlich über dem internationalen Durchschnittswert (Grafik: siehe Seite 1). Damit hat Berlin die beiden anderen Stadtstaaten Bremen und Hamburg klar abgehängt. „Berlins Schüler erreichten im Durchschnitt mehr Punkte als 2003 und haben sich damit mindestens so schnell entwickelt wie der Durchschnitt der OECD-Länder“, stellte Zöllner fest.
Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil Berlin einen besonders hohen Anteil von Migranten aus Risikogruppen hat. Dazu zählen insbesondere türkischstämmige Schüler, deren Familien überproportional häufig den weniger gebildeten und einkommensschwachen Gesellschaftsgruppen angehören. In keinem anderen Bundesland ist der Prozentsatz der türkischstämmigen Schüler an den Migranten so hoch wie in Berlin, wo er über 40 Prozent beträgt. Zum Vergleich: In Bayern liegt er bei 26 Prozent, in den neuen Ländern wie dem Pisa-Spitzenreiter Sachsen beträgt der Anteil der Schüler türkischer Abstammung unter fünf Prozent.
Insgesamt kommt jeder dritte in Berlin getestete Schüler aus einer Einwandererfamilie. Mit fast 15 Prozent hat Berlin zudem den höchsten Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund, die im Alltag vor allem die Herkunftssprache der Eltern und eben nicht Deutsch sprechen.
Auffällig ist der verhältnismäßig große Anteil von Berliner Spitzenschülern im Bereich der Mathematik und der Naturwissenschaften. Hier belegt Berlin vordere Plätzen, was möglicherweise mit der Vielzahl spezialisierter Gymnasien und dem Ausbau der Hochbegabtenförderung zu tun hat: Allein im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich hat Berlin fünf ausgewiesene Profilschulen, allen voran das Charlottenburger Herder- und das Heinrich-Hertz-Gymnasium in Friedrichshain (siehe Beitrag unten). Zudem gibt es 13 Hochbegabtenschulen.
Zöllner begründete seine Zuversicht im Hinblick auf Berlin vor allem damit, dass die jetzigen Fortschritte erzielt werden konnten, obwohl die nach dem PisaSchock erfolgten Reformen bei dem aktuell untersuchten Jahrgang noch gar nicht greifen konnten. Deshalb dürften die Ursachen der besseren Ergebnisse eher allgemein in einer „größeren Qualitätsorientierung in den Schulen und einem höheren Stellenwert der Bildung in den Familien liegen“, so der Senator. Von diesem „allgemeinen Stimmungswandel“ hätten allerdings Kinder aus bildungsfernen Familien genau deshalb weniger profitiert: Bei ihnen sei das Bewusstsein für die Bedeutung der Schulbildung eben noch nicht entsprechend gewachsen.
Für den nächsten Länder-Vergleichstest im Jahr 2009 erwartet Zöllner wesentlich bessere Ergebnisse, weil bis dahin „ deutlich mehr von den bildungspolitischen Reformen seit 2004 profitiert haben“. Insgesamt nannte er 40 „Maßnahmen“ zur Förderung mathematischer und naturwissenschaftlicher Kompetenzen, zur Förderung der Lesekompetenz, zur Lehrerbildung und zur individuellen Förderung.
Um Berlin weiter voranzubringen, kündigte Zöllner weitere Reformschritte an. Dazu gehört, dass die Zuverlässigkeit der Ergebnisse von Vergleichsarbeiten erhöht werden soll: So soll es „mehr Sicherheit im Vorfeld, bei der Durchführung und in der Korrektur von Vergleichsarbeiten geben“. Dieser Hinweis dürfte auch eine Reaktion auf die jüngste Kritik an der Manipulation der Vergleicharbeiten der dritten Klassen sein. Zudem müssten die Schulleiter besser qualifiziert werden.
Insgesamt wurden für den aktuellen Pisa-Vergleich im Jahr 2006 rund 3900 15-jährige Berliner Schüler aus 108 Schulen getestet, darunter 19 Hauptschulen, 41 Integrierte Gesamtschulen, 22 Realschulen und 26 Gymnasien.
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