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Brandenburg: Berlin: Jüdische Gemeinde ist zerstritten Der Vorsitzende Meyer ist zurückgetreten

Berlin - Als „offene Psychiatrie“ bezeichnet Julius Schoeps den Zustand der jüdischen Gemeinde. Der Leiter des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam ist nicht der einzige, dem dieser Vergleich einfällt.

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Berlin - Als „offene Psychiatrie“ bezeichnet Julius Schoeps den Zustand der jüdischen Gemeinde. Der Leiter des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam ist nicht der einzige, dem dieser Vergleich einfällt. Es sei nur noch „eine einzige Qual“, hatte Albert Meyer vor einem Monat gesagt. Gestern ist er nach zweijähriger Amtszeit als Vorsitzender der Gemeinde zurückgetreten. „Das Maß ist voll“, sagte Meyer. Er sei umstellt von Intrigen und einem Komplott der russischen Einwanderer, die sein Gegner und Vorstandskollege Arkadi Schneiderman um sich versammelt habe. Aktueller Anlass ist ein Misstrauensantrag, den Schneiderman bei der gestrigen Parlamentssitzung einbringen wollte. Darin wirft er Meyer „Führungsschwäche, gemeindeschädigendes Auftreten in der Öffentlichkeit“ und die „Vertuschung von Skandalen“ vor. „Alles Quatsch“, sagt jener und wirft seinerseits Schneiderman „stalinistische Methoden“ vor. Tatsache ist, dass am Dienstag die Staatsanwaltschaft die Büroräume der Gemeinde in der Fasanenstraße und Geschäftsräume der Firma Dussmann durchsucht hat. Ein Vorstandsmitglied der Gemeinde hatte Anzeige wegen Untreue gegen Meyer und Dan Moses erstattet, bestätigt Michael Grunwald, der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft. Keiner von Meyers vier Vorstandskollegen will es aber gewesen sein. Dan Moses leitet die Berliner Repräsentanz der israelischen Discountbank und war bis September Meyers zweiter Stellvertreter. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob wettbewerbswidrige Absprachen zwischen Meyer, Moses und der Firma Dussmann dazu geführt haben, dass Dussmann den Auftrag zur Reinigung von Gemeinderäumen bekommen hat. „Es besteht ein Anfangsverdacht“, sagt Grunwald, „das Ergebnis ist aber völlig offen“. Meyer und Moses bestreiten den Vorwurf. Die Ermittlungen und Meyers Rücktritt sind der Höhepunkt einer Auseinandersetzung, die Anfang des Jahres begonnen hat. Im Kern geht es um einen Machtkampf zwischen einer Gruppe russischsprachiger Migranten um den aus der ehemaligen Sowjetunion eingewanderten Arkadi Schneiderman und alteingesessenen Berliner Juden um den Anwalt Albert Meyer. Es scheint, als hätten sich Meyers Gegner durchgesetzt. Sein designierter Nachfolger ist der 33-jährige Gideon Joffe, der erst vor einer Woche von Schneiderman in den Gemeindevorstand geholt worden war. Was er inhatlich anders machen will als Meyer, wollte er gestern nicht sagen. Um unterschiedliche inhaltliche Prioritäten, etwa beim Konzept eines jüdischen Altersheimes oder den Kulturtagen, geht es bei den eskalierenden Streitereien auch gar nicht. Mehrere Untersuchungsausschüsse, fast ein Dutzend Misstrauensanträge und gerichtliche Auseinandersetzungen haben die inhaltliche Arbeit völlig zum Erliegen gebracht. Paul Spiegel, der Präsident des Zentralsrats der Juden, macht sich „große Sorgen“, wie es in Berlin weitergehen soll. Claudia Keller

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