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Brandenburg: Berliner Klasse
Ohne die hiesigen Designer bekäme die Mercedes Benz Fashion Week schlechte Noten
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Vladimir, der Musterschüler
Vladimir Karaleev denkt nicht im Berliner Rhythmus – er verkauft in die USA, nach Dubai und viel nach Asien. Für ihn muss die Kollektion im September für New York und Paris fertig sein. So weit hat es der Bulgare gebracht, dass die Fashion Week sich freuen kann, dass er hier eine Vorschau bietet. Deshalb stehen auf dem Podest im Zelt am Brandenburger Tor auch nur ein Dutzend Models. Die Entwürfe entwickelt er aus denen der vergangenen Saison weiter. Nicht, dass er noch mal einen alten Schnitt verwenden würde, aber es soll sich alles aus dem Alten weiterentwickeln. Etwas Organisches hat es, wie Karaleev Stoffe zusammenfügt, sie auf der Schulter drapiert, als hätte er sich das nur für den Moment so ausgedacht. Und dann nutzt er wieder die Steifheit des Jeansstoffes aus, sodass der Hosenbund ein wenig von der Hüfte absteht.
Was er macht, ist schwer zu beschreiben. Es klingt gewollt, sieht aber nicht so aus, wenn das Futter einer Tasche, die vorne auf einem Pullover sitzt, unter dem Bündchen herausragt wie ein weiteres Musterelement. Auch, dass viele der Säume nicht vernäht sind, sondern in feinen Fäden lose herabhängen, hat nichts Unfertiges – es wirkt überlegt. Und doch gibt es auch bei Karaleev etwas, das er erklären kann: Die vielen Blautöne, in denen seine Entwürfe gehalten sind, sollen wie ein Sprung ins tiefblaue Meer sein.
Guido, der Liebling
Neben den Schauen der ganz großen Marken zählt die von Guido Maria Kretschmer seit einigen Saisons zu einer der bestbesuchten Präsentationen der Modewoche. Hugo Boss und Escada werden in Berlin zwar vermisst, doch auf Mariella Ahrens, Christine Neubauer sowie Ute und Chiara Ohoven ist Verlass. In der ersten Reihe der Schau von Guido Maria Kretschmer saßen auch in diesem Sommer viele deutsche Fernsehdarstellerinnen und B-Promis. GZSZ-Schauspielerin Janina Uhse gesellte sich zu Udo Walz, während Kim Fisher und Vicky Leandros beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit standen und Sila Sahin und Manuel Cortiz nach vielen Tänzen in „Let’s Dance“ auch wieder einmal Platz nahmen.
Die ersten Outfits der Kollektion zeigten die Kretschmer-Mode für jeden Tag und bildeten ein schwarz-weißes Potpourri mit verschiedenen Drucken und französischem Riviera-Chic aus vergangenen Zeiten. Die Stärke von Guido Maria Kretschmer liegt jedoch in der Abendgarderobe: Lange, wallende Kleider, Pailletten, viel Glitzer und schwarze Spitze sind die Stichworte, die den anwesenden Damen in Erinnerung bleiben.
Dass der Designer selbst ein durchaus sympathischer Typ ist, wissen seit Beginn der täglichen Fernsehsendung „Shopping Queen“ nicht nur Schauspielerinnen oder Moderatorinnen. Guido Maria Kretschmer ist der Liebling unter den deutschen Modeschöpfern, witzig, entspannt und bodenständig. Ob seine Kollektionen spannend, innovativ oder aufregend sind, ist da eher nebensächlich.
Weil man ihn aber eben einfach mögen muss, wird ihm am Ende seiner Show dankend und unter großem Applaus ein Blu-
menstrauß gereicht. Viele deutsche Promi-Damen wissen nun auch schon ganz genau, welches funkelnde, wallende oder glitzernde Kleid sie zur nächsten Gala tragen möchten.
Johanna & Alexandra, die Diven
Sie sind wieder da: Im Winter hatten es Johanna Kühl und Alexandra Fischer-Roehler noch vorgezogen, die Kollektion ihres Labels Kaviar Gauche in Paris vorzustellen, am Mittwoch zeigten sie wieder in der Heimat. Ihre Rückkehr inszenierten sie weihevoll zu sakralen Klängen in der ehemaligen Agnes-Kirche in Kreuzberg. Der Betonbau aus den sechziger Jahren hat sich zu einer gefragten Location entwickelt: Hier zeigten auch schon das Jeanslabel G-Star und der japanische Avantgardist Yohji Yamamoto. Mit seiner kargen Eleganz eignet sich der Raum ideal für Modenschauen: neutral genug, um nicht vom Wesentlichen abzulenken, aber so charaktervoll, dass er jeder Schau eine zusätzliche Komponente verleiht.
Kaviar Gauche feierten hier ein gelungenes Comeback: Ihre Kollektion ganz in Schwarz, Weiß und schimmernden Cremetönen verzichtet auf alle Überflüssigkeiten. Klare, reduzierte Silhouetten lenken die Aufmerksamkeit auf die Leitmotive. Besonders prägend sind durchbrochene Pflanzenmotive in verschiedenen Abstraktionsgraden, teils fast naturalistisch, teils jugendstilhaft stilisiert, teils geometrisch kantig verfremdet. Hoch konzentriert zeigten die beiden Designerinnen, warum sie so wichtig für die Berlner Modeszene sind.
Alexander Kapsalis, Jan Schröder & Grit Thönnissen
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